Nur nicht den Verstand verlieren - Gute Kommunikation trotz(t) Demenz

Nur nicht den Verstand verlieren - Gute Kommunikation trotz(t) Demenz

von: Bernie McCarthy

Hogrefe AG, 2012

ISBN: 9783456951690

Sprache: Deutsch

149 Seiten, Download: 2881 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Nur nicht den Verstand verlieren - Gute Kommunikation trotz(t) Demenz



Ein Beispiel dafür wäre, sich eine Telefonnummer zu merken, eine Einkaufsliste zu erstellen oder sich während eines Gesprächs den Namen der Person zu merken, um ihn zum rechten Zeitpunkt wieder zu verwenden.

Demgegenüber haben wir mit dem Langzeitgedächtnis die Fähigkeit, Informationen, Erfahrungen und Wissen über lange Zeit – bisweilen ein Leben lang – zu speichern. Dies können wir gewöhnlich, indem wir die Information oft wiederholen, bis wir sie «gelernt» haben. Dann können wir sie wieder abrufen, etwa wenn jemand fragt: «Wo wurden Sie geboren?»

Eine weitere wichtige Art des Gedächtnisses ist das «semantische» Gedächtnis. Es ist die Fähigkeit, sich daran zu erinnern, was Dinge bedeuten. Zu wissen, was das geschriebene Wort «Möhre» bedeutet oder was das Bild eines «Hemdes» oder einer «Toilette» darstellt, ist sehr wichtig für Ihre grundlegende Fähigkeit, in Lebensbereichen wie Kochen, Sich-Kleiden oder Ausscheiden zu funktionieren.

Parietallappen

Der nächste Bereich des Gehirns sind die Parietallappen. Dies ist der Bereich, der für Ihre Fähigkeit verantwortlich ist, Ihren Weg zu finden und sich nicht zu verlaufen, indem Sie sich beispielsweise daran erinnern, wo im Supermarkt die Gefriertruhe steht oder wo im Parkhaus sich auf dem Rückweg Ihr Auto befindet. Er hilft auch, die Teile einer Situation zu einem Gesamteindruck zusammenzusetzen, etwa beim Verbinden aller sensorischen Reize eines Fußballspiels zu einem «Erlebnis» jenes Spiels oder beim Anordnen von Worten zu einem Muster, das eine Vorstellung vermittelt, wie einem Satz. Dieser Bereich hilft Ihnen auch, Gegenstände wie Kleidung oder Nahrung wiederzuerkennen. Er hilft uns beim Rechnen.

Okzipitallappen

Und schließlich wird in den am Hinterhaupt gelegenen Okzipitallappen das Sehen verarbeitet. Hier interpretiert das Gehirn, was Sie sehen. (Man könnte also sagen, Sie hätten Augen im Hinterkopf!) Bei Menschen mit einer Schädigung des Gehirns kann die Sehfähigkeit abnehmen, weil die Zellen des Gehirns im Krankheitsverlauf verlorengehen können. Helligkeit und Gleichmäßigkeit der Beleuchtung, fehlende Blendeffekte und Kontraste zwischen Gegenständen und deren Hintergrund werden damit für einen Menschen viel wichtiger, um im Innenbereich zu funktionieren.

Limbisches System und Gefühl

Das für unsere Erörterung der Kommunikation abschließende wichtige Element des Gehirns ist das limbische System. Dieser Bereich ist wichtig für das emotionale Erleben, das für gute Kommunikation von zentraler Bedeutung ist. Es besteht aus Bereichen aller Hirnlappen und umgibt das «Reptiliengehirn» bzw. den alten Bereich unseres Gehirns, den wir mit anderen Vertebraten gemeinsam haben. Das limbische System hilft uns, all unseren Erlebnissen ein «emotionales Etikett» anzuheften. (Wir mögen es oder mögen es nicht. Wir fühlen uns von manchen Menschen angezogen, von anderen wiederum nicht. Wir hatten eine gute Zeit oder wir waren ängstlich oder wütend.)

Emotionen sind ein lebenswichtiger Teil des menschlichen Lebens, weil unsere Gefühle uns helfen, die Menschen, Rollen, Aktivitäten und unsere Interaktionen zu genießen, wertzuschätzen und zu lieben. Ohne sie bleiben uns als Richtschnur für unsere Entscheidungen nur Überlebensreaktionen. Ohne unsere Emotionen würde unser Leben banal und farblos.

Das limbische System hilft uns beim Ordnen von Präferenzen und beim Fällen von Entscheidungen, und zwar auf der Grundlage von Gefühlen und oft von Erinnerungen, die angenehm und heiter oder furchtbeladen und unangenehm sein können. Bei einem Trauma hilft uns dieses System, uns vor extrem unangenehmen emotionalen Erfahrungen zu schützen, indem es bisweilen die sensorischen Teile dessen, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, vor Gefühlen «abblockt». Bei einer Person mit Demenz kann ein früheres Trauma in den gegenwärtigen Alltag hineinwirken, weil es mit dem aktuellen Geschehen verwechselt werden kann. Das limbische System erkennt das dem früher Erlebten ähnliche Gefühl und es können Erinnerungen auftauchen, die nichts mit dem Heute, aber viel mit dem zu tun haben, was vor langer Zeit geschah, als das Gefühl dem jetzigen Gefühl ähnlich war.

Tom hatte im Zweiten Weltkrieg auf Borneo gekämpft und war von den Japanern gefangen genommen worden. Mehrere Jahre wurde er in einem Lager interniert, wo er schwere Mühsal und Leid erfuhr und Zeuge von Grausamkeiten wurde, die ihm im Gedächtnis geblieben sind. Heute, in seinen Achtzigern und mit Demenz während der vergangenen paar Jahre, schläft er schlecht und wacht nachts schweißgebadet aus Alpträumen auf, die er sich nicht erklären kann. Er wird wütend und macht den MitarbeiterInnen Vorwürfe, wenn sie ihn um etwas bitten, wie etwa zur Toilette zu gehen. Er mag es jetzt nicht, dominiert oder zu Dingen genötigt zu werden. Sein Körper ist dünn und ausgemergelt, wie er es als Gefangener war. Er fürchtet sich und glaubt, wieder in der Vergangenheit zu sein.

Toms Geist und Körper erleben erneut das Leid zu Kriegszeiten, weil sowohl sein Geist wie sein Körper «fühlen», wie sie damals fühlten.

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