Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester

Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester

von: Christian Sepp

Allitera Verlag, 2023

ISBN: 9783962334079

Sprache: Deutsch

288 Seiten, Download: 18614 KB

 
Format:  EPUB

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Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester



Kapitel 1

DIE FAMILIE

Anfang des 19. Jahrhunderts ist die einst in zahlreichen Familienzweigen blühende Dynastie der Wittelsbacher auf eine Handvoll Familienmitglieder zusammengeschrumpft. Als 1799 Kurfürst Karl Theodor, der erstmals die Pfalz und Bayern in Personalunion regiert, stirbt, fällt sein reiches Erbe an die ehemals eher unbedeutende Seitenlinie Pfalz-Birkenfeld-Zweibrücken. So steigt Pfalzgraf Maximilian Joseph in den letzten Jahren des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit einem Schlag zum Kurfürsten von Bayern und der Pfalz auf. Eine weitere Standeserhöhung lässt nicht lange auf sich warten: Durch sein Bündnis mit dem französischen Kaiser Napoleon I., das nicht ohne Druck zustande gekommen war, wird Bayern 1806 zum Königreich erhoben und der ehemalige Pfalzgraf als Maximilian I. Joseph Bayerns erster König.

Neben der so schnell aufgestiegenen Linie Pfalz-Birkenfeld-Zweibrücken existiert zu diesem Zeitpunkt noch eine weitere Linie der Wittelsbacher: Pfalz-Birkenfeld-Gelnhausen. Diesem Familienzweig haftet allerdings ein kleiner Makel an – hatte doch einer ihrer Vertreter nicht ganz standesgemäß geheiratet. Aber ausgerechnet aus dieser morganatischen Ehe stammen alle noch lebenden Angehörigen der Linie. Als Max Joseph 1799 in den Besitz seiner großen Erbschaft kommt, lässt er auch die noch verbliebene Verwandtschaft daran teilhaben. Aus Dankbarkeit für die Sicherung einer reibungslosen Regierungsübernahme werden aus den Pfalzgrafen von Birkenfeld-Gelnhausen die Herzöge in Bayern. Dass zwischen den beiden Linien standesgemäß ein Unterschied besteht, lassen die Mitglieder des bayerischen Königshauses die herzogliche Verwandtschaft jedoch bei allen möglichen Gelegenheiten spüren.

Der erste Herzog in Bayern ist Wilhelm, ein sehr ehrgeiziger Mann, der sein Leben lang versucht, eine eigene souveräne Herrschaft zu erlangen. Auch wenn er dieses Ziel nicht erreicht, so gelingt ihm doch eine Festigung der Stellung seiner Linie im Hause Wittelsbach. Neben einem großen Vermögen hinterlässt er seinen Nachkommen auch Schloss Banz in Oberfranken. Der Herzog hatte das ehemalige Kloster nach dessen Säkularisation als Sommerresidenz erworben. Für seinen einzigen Sohn Pius fädelt Herzog Wilhelm eine sehr vorteilhafte Partie mit einer vermögenden Prinzessin aus dem Hause Arenberg ein. Doch die Ehe ist eine einzige Katastrophe. Im Alter von 33 Jahren wird Pius in eine Schlägerei verwickelt, bei der zwei Juden misshandelt und verletzt werden. Er flieht als Handwerksbursche verkleidet, wird aber in Bayreuth erkannt und festgenommen. Der eigene Vater bittet den König von Bayern, seinen Sohn ins Gefängnis zu stecken. Es kommt zum Zerwürfnis zwischen dem ehrgeizigen Vater und dem auf die schiefe Bahn geratenen Sohn. Pius zieht sich schließlich in die Eremitage des Alten Schlosses bei Bamberg zurück; zu einer Versöhnung mit dem Vater kommt es nicht mehr. Vor diesem Hintergrund setzt Wilhelm alle seine Hoffnungen auf seinen einzigen Enkelsohn, Herzog Maximilian in Bayern, der von allen nur Max genannt wird. Aufgrund der zerrütteten Ehe seiner Eltern holt die königliche Verwandtschaft ihn 1817 zur Erziehung nach München. Er wird am »königlichen Erziehungs-Institut« unterrichtet und verbringt die Ferien im Kreise seiner Verwandtschaft auf Schloss Nymphenburg oder am Tegernsee. Der Tod seiner Mutter, die mit nur 34 Jahren stirbt, trifft Max schwer.

Schon während seiner Schulzeit entwickelt er für einen Adeligen eher ungewöhnliche Interessen: Er entdeckt seine Begeisterung für das Theater und beginnt bereits in jungen Jahren, eigene Stücke zu schreiben. Diese Leidenschaft zieht sich durch sein ganzes Leben; neben Novellen, Gedichten, Dramen und Reiseberichten produziert er leicht blutrünstige Ritterromane und in gesetzterem Alter vor allem historische Aufsätze. Der Herzog schätzt anregende Gespräche mit Künstlern und Gelehrten, mit großer Leidenschaft sammelt er Bücher. Am Ende seines Lebens wird seine Bibliothek 27.000 Bände umfassen. Außerdem begeistert er sich für Pferde und für alles, was mit dem Zirkus und bayerischer Volksmusik zu tun hat. Seine besondere Liebe gilt dabei der Zither. Auch dies ist eine außergewöhnliche Wahl für einen Aristokraten, hat die Zither doch damals keinen guten Ruf und ist als »Lumpeninstrument« verrufen. Max stört das nicht, er nimmt Unterricht und komponiert schließlich sogar eigene Stücke, die er auch vor Publikum spielt.

Um die herzogliche Linie näher an das königliche Haus heranzuführen, arrangiert Großvater Wilhelm für seinen Enkel eine Ehe mit einer der zahlreichen Töchter des ersten bayerischen Königs. Was Max Joseph und Wilhelm ausgehandelt haben, wird am 9. September 1828 in die Tat umgesetzt: Prinzessin Ludovika Wilhelmine von Bayern heiratet in der Kirche von Schloss Tegernsee Herzog Max in Bayern. Bei Schloss Tegernsee handelt es sich um ein ehemaliges Kloster, das durch die Säkularisation aufgelöst und schließlich von König Max I. Joseph erworben wurde, der es zu einer Sommerresidenz der Familie umfunktionierte. Zum Zeitpunkt der Trauung ist Max I. Joseph bereits verstorben, das Schloss gehört damals seiner Witwe Caroline, Ludovikas Mutter.

Ein attraktives Paar, das einander aber nicht liebt: Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern vor Schloss Tegernsee, 1828.

Als Herzog Max und Prinzessin Ludovika vor den Traualtar treten, geben sie rein äußerlich gesehen ein attraktives Paar ab. Ludovika ist groß, mit üppiger Haarpracht und auffallend blauen Augen. Max ist von schlanker Gestalt und hat braune, ins Grünliche schimmernde Augen. Dennoch sind beide nicht begeistert von der Aussicht, ihr Leben miteinander verbringen zu müssen. »Wir haben uns beide nicht heiraten wollen«, wird Ludovika als alte Frau erzählen, wenn sie über ihre Ehe spricht. Ganz anderer Ansicht ist der Großvaters des Bräutigams, der, auf das Dilemma angesprochen, gesagt haben soll: »Cela est fort égal. Ils finiront par s’aimer.«1 Das große Problem besteht darin, dass beide Ehepartner zum Zeitpunkt der Hochzeit in andere Personen verliebt sind. Die Auserwählte von Herzog Max ist eine Bürgerliche, die er aus aus Standesgründen nicht ehelichen darf. Kurz nach der Hochzeit gesteht er seiner Angetrauten, dass er sie nur aus Angst vor seinem strengen Großvater geheiratet habe. Und auch Ludovikas Herz ist bereits vergeben. Anlässlich der Hochzeit ihrer älteren Schwester Sophie war sie 1824 in Wien dem portugiesischen Prinzen Dom Miguel von Bragança begegnet. Die beiden hatten sich ineinander verliebt und Miguel hatte sogar um Ludovikas Hand angehalten, doch der König von Bayern hatte sie ihm verweigert, da der Prinz zu diesem Zeitpunkt im Exil lebte. Als Dom Miguel dann vier Jahre später zum König von Portugal aufsteigt, schlägt sein Herz immer noch für die bayerische Prinzessin und er schickt einen Gesandten in das ferne Königreich, um abermals um ihre Hand anzuhalten. Dieser Gesandte trifft allerdings zu spät am Tegernsee ein – fünf Tage zuvor hatte die Hochzeit stattgefunden, und Ludovikas Mutter Caroline bleibt nichts anderes übrig, als dem König von Portugal mitzuteilen, dass ihre Tochter bereits vergeben sei. Man verheimlicht Ludovika diesen erneuten Antrag, erst viel später in ihrem Leben wird sie davon erfahren.

Das junge Ehepaar ist nicht glücklich. Zwei Jahre nach der Hochzeit notiert Ludovika in ihr Tagebuch: »Mein zweiter Hochzeitstag – den ganzen Tag in Tränen zugebracht.« Zunächst bewohnen die Jungvermählten ein angemietetes Palais in München, drei Jahre später beziehen sie das vom Architekten Leo von Klenze neu errichtete Herzog-Max-Palais in der Ludwigstraße. Das Gebäude, das an einem der großen Prachtboulevards Europas liegt, als Palais zu bezeichnen, ist fast irreführend – vielmehr ähnelt die dreigeschossige Anlage mehr einem Stadtschloss und verfügt neben einem über zwei Etagen reichenden Ballsaal auch eine eigene Hauskapelle. Denn auch wenn die Ehe nicht glücklich ist, finanzielle Sorgen hat das Paar nicht. Herzog Max ist in seiner Generation der einzige Vertreter seiner Linie und beerbt sowohl seinen vermögenden Großvater Wilhelm als auch seine Mutter, die ausgedehnte Besitzungen in Frankreich und ein Palais in Paris mit in die Ehe gebracht hat. Aber auch Ludovika ist finanziell gut gestellt, dafür hat ihr Vater Max I. Joseph gesorgt, der vor seinem Tod eine große Summe für seine zweite Frau und seine Töchter gewinnbringend angelegt hat.

Interessiert sich wenig für Frau und Kinder:
Sophie Charlottes Vater Herzog Max in Bayern.

Nachdem man nun über einen prächtigen Wohnsitz in der Residenzstadt verfügt, macht man sich auf die Suche nach einem Schloss auf dem Land für die Sommermonate. 1834 verkauft Herzog Max die französischen Güter aus der Erbschaft seiner Mutter und erwirbt dafür Schloss Possenhofen am Ufer des Starnberger Sees. Der idyllisch gelegene Landsitz mit seinem großen Park wird zum Mittelpunkt des Familienlebens. Mit viel Liebe hängen alle Kinder des Hauses an diesem Ort und kehren immer gerne dorthin zurück, in zahlreichen Briefen wird in Erinnerungen an...

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