Der Wirtschafts-Virus - Wie Corona die Welt verändert und was das für Sie bedeutet

Der Wirtschafts-Virus - Wie Corona die Welt verändert und was das für Sie bedeutet

von: Markus Gürne, Bettina Seidl

Ullstein, 2020

ISBN: 9783843724326

Sprache: Deutsch

352 Seiten, Download: 2504 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Der Wirtschafts-Virus - Wie Corona die Welt verändert und was das für Sie bedeutet



Vorwort


In unserer Heißwasser-Stunde, wie wir den Moment des wohlverdienten Kaffees nach unserer Redaktionskonferenz nennen, wenn das Thema der abendlichen Sendung »boerse vor acht« finalisiert und die Grafiken in Auftrag gegeben sind, diskutierten wir lebhaft über ein Virus.

Das war am Mittwoch, den 12. Februar 2020. An diesem Tag lag das Zentrum der mit dem Coronavirus Infizierten zwar immer noch in China, aber es gab bereits außerhalb der Volksrepublik erste Fälle von Menschen, die nachweislich an Covid-19 erkrankt waren. In Europa und auch in Deutschland. Die Behörden gaben an diesem Tag die Zahl der in Deutschland positiv Getesteten mit 16 an. Das Robert-Koch-Institut ging einem Vermerk auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums zufolge davon aus, dass all diese Infizierten isoliert und in Behandlung seien. Die Gefahr für die Bevölkerung wurde noch als gering eingestuft.

Der Fernsehsender Phoenix, der gemeinsame Ereignis-Kanal von ARD und ZDF, übertrug eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU): »Es ist aktuell noch nicht absehbar, ob sich aus einer regional begrenzten Epidemie in China eine weltweite Pandemie entwickelt oder nicht. Die Situation, wie wir sie heute in Deutschland haben, zeigt aber, dass wir gut vorbereitet sind und dass wir aufmerksam mit dem Thema umgehen. Wir haben die Dinge unter Kontrolle, befinden uns aber gleichzeitig in einer dynamischen Lage.« Dynamische Lage, aber unter Kontrolle. Das klingt nach Sicherheit.

Unsere Fernsehwand in der Redaktion zeigt neben Phoenix und mehreren anderen TV-Sendern auf einem Bildschirm immer nur ein einziges, ebenso dynamisches Bild. Eingefangen von einer unserer Kameras, die auf eine ganz bestimmte Anzeigetafel gerichtet ist. Darauf die wohl bekannteste Kurve Deutschlands, die jeden Tag anders aussieht und allabendlich über unsere kleine Sendung auf vielen Fernsehbildschirmen zu sehen ist: der Verlauf des Deutschen Aktienindex mit dem kurzen Namen DAX. Der elektronische Handel schloss an diesem Tag bei bis dahin unübertroffenen 13 750 Punkten.

Wir diskutierten, wie es sein könne, dass sich ein Virus weltweit ausbreitet und zugleich die Börsenkurse von einem Rekordwert zum nächsten eilen. Unser Schluss war, dass die Erfahrung der Finanzmärkte mit vergangenen Viren wie SARS, Ebola und MERS, die seit 2002 aufgetaucht und vergleichsweise entspannt verlaufen waren, alle wieder darauf setzen ließ, dass dieser Coronavirus mit dem neuen Namen SARS-CoV-2 sich in dieser Kette einreihen würde. Und offenbar sah ja auch die Politik am 12. Februar 2020 noch keinen Anlass, sich selbst und auch der Bevölkerung Sorgen zu machen. Ein paar Tage später, am 17. Februar, erreichte das Leitbarometer der deutschen Börse 13 795 Punkte – der nächste Höchststand. Wie sich erst später herausstellen sollte, war die Rekordserie an den Börsen damit beendet. In den Nachrichten wurde berichtet, dass einige von der Bundeswehr aus China zurückgeholte Deutsche ihre vierzehn Tage währende Quarantäne in einer Kaserne der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Germersheim beenden konnten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kommentierte das diesmal so: »Eine Quarantäne ist für alle Beteiligten keine einfache Situation. Aber sie war notwendig, um die Rückkehrer selbst, ihr Umfeld und die gesamte Bevölkerung zu schützen. So konnten gleich zu Beginn zwei Infizierte entdeckt und separat klinisch behandelt werden. Das zeigt einmal mehr: Diese Epidemie bekommen wir nur in den Griff, wenn wir vorsichtig, aber angemessen reagieren.« Das klang schon etwas ernster, aber noch nicht besorgniserregend.

Am darauffolgenden Wochenende wurde klar, dass mit der Ausbreitung des Virus in Norditalien eine neue Lage entstanden ist, deren Ernst und Folgen noch nicht abzusehen waren. Eines aber war offensichtlich: Dieser Virus wird sich in sehr kurzer Zeit nicht nur in Italien, sondern überall in Europa ausbreiten.

Am Montag, den 24. Februar, war es mit der guten Börsenstimmung vorbei. An diesem Tag diskutierten wir, Bettina Seidl als Chefin vom Dienst und Markus Gürne als Moderator der Sendung, in unserer Heißwasser-Stunde, welche Folgen auf uns alle zukommen würden. Dass es in einem hoch entwickelten und führenden Industrieland der Welt zu Engpässen und großen Sorgen wegen fehlender Atemschutzmasken kommen könnte, die Cent-Beträge ausmachen, dass in einem Land wie Deutschland ausgerechnet Toilettenpapier gehortet werden könnte, das hatte niemand von uns geahnt. Ich hatte eine leise Vorstellung von den Hygiene-Maßnahmen, die kommen könnten. Maßnahmen, wie ich sie in meiner Auslands-Korrespondentenzeit im Nahen Osten kennengelernt hatte, bevor es für einige Jahre nach Südasien mit festem Wohnsitz in Neu-Delhi ging: wenig anfassen, oft Hände waschen, Abstand halten, Toilette desinfizieren. Und nicht in Panik geraten.

Was uns Sorgen machte, waren die Auswirkungen auf einen ganz wichtigen Teil unserer Gesellschaft, an den viele nicht immer denken, der uns aber das Leben in Wohlstand ermöglicht, das die allermeisten führen können: unsere Wirtschaft. Wir diskutierten über unterbrochene Lieferketten und Lieferengpässe, über die Möglichkeit einer Rezession und welchen Effekt das auf die Arbeitsplätze hat. Bei allen zu erwartenden Negativwirkungen schlussfolgerten wir dennoch, dass wir mit unserem Wirtschaftssystem, der sozialen Marktwirtschaft, trotz aller Unkenrufe und Kritik doch besser dastehen als viele andere Industriestaaten. Es erinnerte uns an ein Zitat, das dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill zugesprochen wird: »Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.« In diesem Sinne mag unsere soziale Marktwirtschaft mehr schlecht als recht funktionieren. Aber sie hat sich als vorteilhafter herausgestellt als das marktliberale System der USA oder der Sozialismus.

Politik, Wirtschaft und Finanzen – die Zusammenhänge zwischen diesen drei Bereichen und dazu noch die Auswirkungen auf die Gesellschaft und auch auf die einzelnen Bürger*innen zu erklären, das setzen wir uns bei unserer Sendung abends um kurz vor acht jedes Mal zum Ziel. »Wir erklären Zusammenhänge« ist unser Motto seit 2012. Ab sofort erweiterten wir es um einen Virus namens SARS-CoV-2 und seine Auswirkungen, deren Ausmaß uns an diesem Tag noch nicht klar war.

Danach überschlugen sich die Ereignisse. Pausenlos gab es eine neue Lage. Nicht nur nachrichtlich, sondern auch gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch. Der Virus und die Schutzmaßnahmen stellten Gesellschaften auf den Kopf, bremsten Wirtschaften, die unter Volldampf liefen, aus, teilweise bis zum Erliegen. Das Leben stand im wahrsten Sinne des Wortes still, und wir alle erlebten unwirkliche Situationen, die sich später in den Geschichtsbüchern wiederfinden werden. Wenn wir gerade wieder Weltgeschichte live erleben, dann in einem dunklen Kapitel und in der Hoffnung, dass diese Krise, ausgelöst durch einen kleinen Virus, am Ende zumindest glimpflich ausgehen wird.

Was kommt da auf uns zu, können wir das bewältigen, was bedeutet das für Deutschland, für Europa, am Ende für die ganze Welt? Was bedeutet es für uns als Gesellschaft, für uns alle, die einzelnen Bürger? Die Antworten sind nicht nur komplex, sie müssen in Zusammenhänge gebracht, sie müssen erklärt werden, damit ein klares Bild entsteht. Am besten in einer Sprache, die möglichst viele verstehen. Um zu verstehen, was ist, müssen wir begreifen, was war, damit wir eine Chance haben zu wissen, was werden kann. Begreifen – das kommt im wahrsten Sinne des Wortes von greifen, anfassen. Der Virus aber ist unsichtbar, die Gefahr ist daher nicht wirklich begreiflich, die weiteren Auswirkungen sind nicht fassbar. Das hat die meisten von uns kalt erwischt, Politiker, Experten, uns alle – selbst viele Virologen haben den Virus zunächst unterschätzt.

Wir versuchen, durch unsere journalistische Arbeit Wirtschaft verständlich zu machen mit anschaulichen Beispielen. Das ist unser Anliegen jeden Tag: unsere immer komplexere Welt ein Stück weit zu vereinfachen und damit begreifbarer zu machen. Die Komplexität der Coronakrise braucht mehr Platz, als eine kurze Sendung bieten kann. Mehr Platz bietet uns dieses Buch.

Daher waren wir hocherfreut, als der Econ Verlag mit der Frage an uns herantrat, ob wir ein erklärendes Buch über den Coronavirus und die Auswirkungen für die Wirtschaft schreiben könnten. Seither schreiben wir gegen die Zeit.

Inmitten eines breiten Nachrichtenstroms, der gerade Geschriebenes ein paar Tage später schon wieder veraltet erschienen ließ. Allein die Zahl der weltweit Infizierten: 300 000, 600 000, anfangs verdoppelte sich die Zahl alle drei Tage. Dann in etwas langsamerem Tempo, aber in beängstigenden Dimensionen: eine, zwei, drei, vier Millionen. So ging es weiter: mit der Zuspitzung der Lage in vielen Ländern, mit dem verzweifelten Kampf der Ärzt*innen, der Regierungen, mit Rettungspaketen, mit den Nöten von Unternehmen und Selbstständigen, mit der steigenden Zahl von Hilfesuchenden und Arbeitslosen. Gleichwohl aber hoffen wir, indem wir beschreiben und erklären, was der Virus mit unserer Gesellschaft macht, wie er Wohlstand und Wirtschaft bedroht, mehr als einen Zwischenstand zu liefern. Wir...

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