Der Fettversteher - Wie wir unser gutes Fett aktivieren, um unser schlechtes zu verlieren

Der Fettversteher - Wie wir unser gutes Fett aktivieren, um unser schlechtes zu verlieren

von: Alexander Bartelt

Ullstein, 2020

ISBN: 9783843722605

Sprache: Deutsch

288 Seiten, Download: 2475 KB

 
Format:  EPUB

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Der Fettversteher - Wie wir unser gutes Fett aktivieren, um unser schlechtes zu verlieren



1 Einleitung – Die wunderbare Welt der Fette


1.1 Fett – jeder braucht es, niemand mag es


Fett! Gäbe es eine Umfrage zu den beliebtesten Körperteilen des Menschen, läge das Fettgewebe garantiert auf dem letzten Platz. Körperfett ist meist mit negativen Gefühlen verbunden, da es, obschon nur innerlich vorhanden, bei vielen auch äußerlich zu sehen ist. Die Ursache liegt auf der Hand. Das Schlankheitsideal unserer Zeit passt schon seit Längerem nicht mehr mit der Realität einer Vielzahl von Menschen zusammen, die sichtbar mit Fettpölsterchen ausgestattet sind.

Nahezu ein Drittel der Weltbevölkerung ist heute nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übergewichtig. Weniger einfühlsame Zeitgenossen nennen Menschen mit rundum sichtbaren Fettpolstern meist nur dick oder fett. Nicht sehr schön und schon gar nicht nett. Freundlichere Menschen haben noch die Attribute pummelig, stämmig, oder kräftig gebaut parat. Das macht die Sache für viele Betroffene nicht besser. Dabei war das fülligere Körperformat bis vor knapp 120 Jahren noch total hip und gern gesehen, damals, als das Dicksein noch die Ausnahme war. Der schöne, reiche Mann von Welt trug Bauch, um seinen Wohlstand offensichtlich zu präsentieren, und die Frau, in der barocken Ausgabe, als Modell »Walküre« mit gebärfreudigen, breiten Hüften, war das gesellschaftskonforme Pendant zu ihm. Für die weniger begüterten, eher dem heutigen Schönheitsideal entsprechenden Menschen der Arbeiterklasse war damals das Dicksein ein erstrebenswertes Ziel. Heute ist es gemessen am Wohlstandsgefälle oft umgekehrt.

Da es augenscheinlich viele Jahrzehnte benötigt, bis sich gängige Schönheitsideale der Realität anpassen, werden die etwas Fülligeren unter uns wohl noch ein Weilchen versuchen, ihre Extrapfunde loszuwerden. In Zeiten des Selbstoptimierungswahns sind eine gertenschlanke Silhouette und ein Waschbrettbauch gefragt. Dabei macht das Abnehmen für die meisten eigentlich nur Sinn, wenn das Übergewicht an weißem Körperfett, das wir in unseren Fettpolstern speichern, eine gesundheitsgefährdende Grenze überschreitet. Die ist bei manchen Übergewichtigen nicht weit entfernt, doch das trifft längst nicht auf alle etwas kräftiger gebauten Menschen zu.

Das weiße Körperfett ist in seiner Vielfalt höchst faszinierend und verdient es, mit vollkommen anderen Augen gesehen zu werden. Auch aus diesem Grund habe ich dieses Buch geschrieben. Was weißes Körperfett genau ist, erfahren Sie im Kapitel zwei. Was zu viel ist, wo, wieso und warum, und wie Sie das tatsächlich überschüssige Fett wieder loswerden, das erfahren Sie dann später im Buch. Doch zunächst stelle ich Ihnen hier einleitend mein Lieblingsfett vor, das »braune Fett«, das noch ausführlich im Kapitel drei behandelt wird. Vom braunen Fett können wir gar nicht zu viel haben und auch beim Abnehmen kann es eine gewichtige Rolle spielen. Ja, tatsächlich gibt es auch Körperfett mit einem guten Image, wer hätte das gedacht? Und äußerst faszinierend ist es noch dazu.

1.2 Ein fetter Trick gegen die Kälte


Saukalt war es, vor etwa 70 000 bis 40 000 Jahren vor unserer Zeitrechnung in weiten Teilen der nördlichen Erdhalbkugel, inmitten der letzten Eiszeit. Die damaligen Menschen der Gattung Homo sapiens müssen mächtig gefroren haben. Sie waren mit ihrem genetischen Erbe aus den heißeren Gefilden Afrikas nicht besonders gut an die meist klirrende Kälte angepasst. Anders als etwa die damals ebenfalls noch umherstreifenden Neandertaler und der vor noch gar nicht so langer Zeit entdeckte Denisova-Mensch, die beide bereits lange Zeit vor Homo sapiens in Europa und Asien heimisch waren.

Wenn die durchschnittliche Jahrestemperatur um den Gefrierpunkt liegt, muss der Körper sich darauf besonders einstellen. Die Neandertaler widerstanden der Kälte wohl mit einem sehr robusten Körperbau und jahrtausendelanger Anpassung an die niedrigen Temperaturen. Der Denisova-Mensch besaß nach Meinung einiger Wissenschaftler1 dafür ein besonders gut an die Kälte angepasstes Gen-Repertoire, das möglicherweise für einen überproportional hohen Anteil an braunem Körperfett sorgte. Das »braune Fett« ist ein Gewebe, das mit seiner heizofenartigen Fähigkeit in der Lage ist, kalorienreiche Fette und Zucker zu »verbrennen« und direkt in Körperwärme umzuwandeln. Der Denisova-Mensch könnte mit der Extraportion von braunem Fett perfekt für die sibirische Kälte rund um das Altai-Gebirge gerüstet gewesen sein, wo sich nämlich die Denisova-Höhle befindet, in der seine Knochen gefunden und nach der er benannt wurde.

Das braune Fett ist der modernste evolutionäre Trick zur Regulierung der Körpertemperatur. Das weiß man, da nur Säugetiere dieses braune Fettgewebe besitzen. Wirklich alle Säugetiere? Nein, da wäre noch das Schwein! Ihm fehlt das für die Fettverbrennung im braunen Fettgewebe unerlässliche Protein mit dem Namen Uncoupling-Protein 1 (UCP1). Wenn es bei Saukälte ungemütlich wird, bleibt dem Schwein im jungen Alter nur das Muskelzittern zum Aufwärmen und im fortgeschrittenen Alter hilft ihm der allseits bekannte Schweinespeck, den Körper warm zu halten.

Tatsächlich schlummert in jedem von uns diese bislang wenig beachtete Kraft des braunen Fettes, die uns hilft, überschüssige Kalorien einfach, effizient und auf natürliche Weise zu verbrennen und in Wärme umzuwandeln, wenn die Umgebungstemperatur fällt. Wir haben es nur verlernt, diese körpereigene Wunderwaffe im Kampf gegen die Kälte einzusetzen. Lange Zeit nahm man in der biomedizinischen Forschung sogar an, dass Erwachsene gar kein braunes Fett besitzen, sondern nur Säuglinge, und dass es im Laufe des Erwachsenwerdens einfach verschwindet. Das war ein Irrtum. Heute wissen wir, dass auch fast alle Erwachsenen über braunes Fettgewebe verfügen234 – allerdings nutzen es nur die wenigsten.

Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wir frieren zu selten. Kälte aber ist das, was braunes Fett aktiviert und zur Fettverbrennung animiert. In unserer modernen, jederzeit optimal temperierten Lebensumwelt ist das braune Fett des Menschen weitgehend verkümmert.5 Es kann aber bereits durch eine kurze Zeit in der Kälte wieder aktiviert werden. Und je kühler unsere Umgebung ist, desto besser arbeitet es.6 Manche Menschen, die ständig im kalten Klima am Rande des nördlichen Polarkreises leben, wie etwa die Inuit, haben im Laufe der jüngeren Evolution viele urzeitliche Waffen des Körpers gegen die Kälte behalten, anders als wir Mitteleuropäer, die es sich die letzten Jahrtausende im milden Klima oder wie heute im geheizten Wohnzimmer gemütlich gemacht haben.

1.3 Das fette Denisova-Erbe bei den Inuit


Je weiter nördlich Menschen leben und je niedriger die Umgebungstemperaturen sind, umso höher ist die Aktivität und auch die Menge ihres braunen Körperfetts. So wie bei den Inuit, die in der nördlichen Polarregion leben. 2017 untersuchte ein Forscherteam der University of California in Berkeley die DNA der Inuit auf Parallelen zur DNA des höchst kälteresistenten Denisova-Menschen, von dem bereits die Rede war, und es fand erstaunliche Übereinstimmungen. Wie kam es dazu?

Dazu muss ich etwas ausholen. Nachdem 2008 in der Denisova-Höhle uralte Knochen gefunden wurden, machten sich sogleich zahlreiche Evolutionsgenetiker über den spannenden Fund her und isolierten die DNA-Muster. Ein winziges Stück des gefundenen Fingerknochens reichte aus, um festzustellen, dass dieser Knochen weder dem Menschen noch dem Neandertaler zuzuordnen war. Wie sie das Leben in der Kälte meisterten, war anfangs zunächst noch uninteressant. Es ging um ein viel heißeres Thema: Sex. Der ausgestorbene, nicht mit Homo sapiens verwandte Denisova-Mensch könnte sich ja zu Lebzeiten, wie der Neandertaler auch, durchaus mit einem Homo sapiens zu einem Tête-à-Tête getroffen haben. Um das zu überprüfen, verglich man in diversen Studien das Genom des Denisova-Menschen mit dem von Menschen in unterschiedlichsten Regionen der Erde. Man fand tatsächlich Übereinstimmungen. Die Boulevardpresse bekam ihre Schlagzeile zum Urzeit-Sex, und das Thema geriet wieder in Vergessenheit.

Bis dann 2014 eine Evolutionsforscherin namens Emilia Huerta-Sanchez die Theorie aufstellte, dass die Gene der Denisova-Menschen sich überall dort in unserer DNA erhalten haben könnten, wo sie dem Überleben besonders dienlich waren. Wie zum Beispiel eine Form des Denisova-Gens mit dem Namen »EPAS1«, das etwa den Tibetern beim Überleben in großen Höhen bei geringerem Sauerstoffgehalt in der Luft hilft.

Da lag es ja nahe, auch das Überleben in kälteren Regionen mit dem Denisova-Genom in Zusammenhang zu bringen. Und siehe da, die Forscher Rasmus Nielsen aus Berkeley und Fernando Racimo vom New York Genom Center fanden später heraus, dass die besondere Gen-Variante namens »TBX15«, die den Inuits heute in den Nordpolarregionen das Überleben bei Kälte erleichtert, nicht das Ergebnis einer separaten evolutionären Anpassung ist, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit vom...

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