Werbe- und Konsumentenpsychologie - Eine Einführung

Werbe- und Konsumentenpsychologie - Eine Einführung

von: Peter Michael Bak

Schäffer-Poeschel Verlag, 2019

ISBN: 9783791042138

Sprache: Deutsch

212 Seiten, Download: 831 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Werbe- und Konsumentenpsychologie - Eine Einführung



2 Fokus Konsument


Kognitionen, Emotionen und Motivation beeinflussen sich wechselseitig.

Nachdem wir uns grundlegend mit dem Thema Werbung befasst haben, soll nun der Konsument im Fokus stehen. Welche Mechanismen und Prozesse lassen sich identifizieren, die Einfluss auf die Rezeption und Wirkung von werblicher Kommunikation haben? Zunächst können wir hier an kognitive Prozesse denken, also Prozesse der Speicherung, Verarbeitung und Wiedergabe von Informationen. Zum anderen ist das Konsumentenverhalten ohne Kenntnisse von Motiven, Zielen und Bedürfnissen nicht zu verstehen. Weiter lassen sich Handlungsmotive nur verstehen, wenn wir auch die emotionalen Komponenten unseres Erlebens dabei berücksichtigen. Kognitionen, Emotionen und Motivation sind also drei miteinander in Wechselwirkung stehende Facetten menschlichen Erlebens und Verhaltens. Ebenfalls bedeutsam ist die Frage, durch welche Faktoren unser Entscheidungsverhalten in Kaufsituationen beeinflusst wird. Darüber hinaus wollen wir uns mit dem Bereich der Einstellungen näher befassen, die für die langfristige Verhaltensprognose bedeutsam sind. Abschließend werden wir uns noch mit den Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gruppe beschäftigen, denn unser Verhalten ist stets ein Verhalten im sozialen Kontext, ohne dessen Berücksichtigung keine angemessene Verhaltensbeschreibung und -vorhersage möglich ist. Und schließlich spielt die Persönlichkeit eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, wie, welche werblichen Reize Beachtung finden oder nicht. Beginnen wir mit grundlegenden Prozessen der Informationsverarbeitung, die als Basis für alle weiteren Prozesse angesehen werden können.

2.1 Wahrnehmung


Unser Gehirn ist kognitiv geschlossen.

Unserem Alltagsempfinden entsprechend meinen wir eigentlich, dass unsere Wahrnehmung ein großes Fenster nach draußen ist, in die Welt der Dinge, Menschen und der Natur. Dabei bezieht sich der weitaus größte Teil aller unserer Wahrnehmungsprozesse auf die Wahrnehmung innerer Vorgänge. Unser Gehirn wird daher auch als „ein kognitiv in sich abgeschlossenes System“ (Roth, G. 1987) verstanden, „das nach eigenentwickelten Kriterien neuronale Signale deutet und bewertet, von deren wahrer Herkunft und Bedeutung es nichts absolut Verlässliches weiß“ (Roth, G. 1987). Mit der äußeren Welt kommen wir also erst durch den Filter der neuronalen Signalverarbeitung in Kontakt. Was wir mit den Daten von „draußen“ machen, hängt zwar auch von der Beschaffenheit der Daten ab, besser jedoch lässt sich dieser Erkenntnisprozess beschreiben als ein in Bezugbringen von bereits bestehenden Wissensbeständen zu den Informationen, die uns unsere höheren Verarbeitungszentren aus den Daten unserer Sinnesorgane liefern. Die Sinnesorgane versorgen uns dabei mit ganz unterschiedlichen Informationsquantitäten und Informationsqualitäten.

2.1.1 Die fünf Sinnesorgane


Merke

Sinne

Unsere fünf Sinne (Berührungs-, Geruchs-, Geschmacks, Seh- und Hörsinn) übersetzen quasi die für unseren Organismus bedeutsamen Reize der Außen- und Innenwelt in ein Format, welches dann durch spezialisierte Verarbeitungsstrukturen und -prozesse im Gehirn zu bedeutungsvoller Information transformiert wird.

Man unterscheidet folgende fünf Sinne: Berührungssinn, Geschmackssinn, Geruchssinn, Hörsinn und Sehsinn. Unsere Sinne reagieren auf Veränderungen in der inneren und äußeren Umwelt und geben dies als Informationen für die weitere Verarbeitung an unser Gehirn weiter. Dieser Prozess, bei dem mechanische oder thermische (Berührungssinn), chemische (Geruch, Geschmack), optische (Sehsinn) oder physikalische (Hörsinn) Reizungen in elektrische Ladung umgewandelt werden, nennt man auch Transduktion. Generell gilt, dass unsere Sinne stets zusammenarbeiten und uns mit ganzheitlichen Informationen versorgen. Je mehr Sinne angesprochen werden, umso eindeutiger können Objekte wahrgenommen und identifiziert werden. Diese Erkenntnis macht man sich auch beim multisensorischen Marketing zunutze.

Wichtig ist auch zu wissen, dass die Leistung unserer Sinnesorgane nicht über die gesamte Lebensspanne konstant ist, sondern sich nach der Geburt erst vollständig ausbildet und dann mit dem Alter sukzessive wieder abnimmt. Ältere Menschen verzeichnen also insgesamt Einbußen bei der Signalverarbeitung. Dies muss auch bei der Konzeption der werblichen Kommunikation entsprechend berücksichtigt werden, indem beispielsweise auf die Verstärkung von Kontrasten geachtet wird.

Berührungssinn

Der Berührungssinn versorgt uns mit Druck-, Berührungsinformationen sowie mit Informationen zu Vibrationen, Temperatur oder Schmerz. Die Berührungsempfindlichkeit variiert dabei stark von Körperregion zu Körperregion. Die erogenen Zonen sind z. B. sehr berührungsempfindlich, andere Bereiche dagegen weniger. Der Berührungssinn unterstützt uns auch in der Kommunikation: Durch Berührung zeigen und empfinden wir z. B. Geborgenheit, Unterstützung, Wärme und Zuneigung. Interessant ist, dass Menschen sich darin unterscheiden, wie stark ihr Bedürfnis nach Berührung in kaufrelevanten Situationen ist. Anhand der Need-for-Touch-Skala lassen sich dabei ein instrumentelles Berührungsbedürfnis, z. B. um die Stoffqualität einer Hose zu prüfen und ein autotelisches Berührungsbedürfnis, was so viel meint wie „Berühren aus Lust“, unterscheiden (Peck, J./Childers, T. L. 2003). Wie wichtig Berühren beim Einkauf sein kann, zeigen die Studien von Brasel und Gips (Brasel, S. A./Gips, J. 2014). Sie konnten z. B. zeigen, dass das medial vermittelte Berühren von Produkten via Touchscreen den Besitztumseffekt (endowment; vgl. Kap. 2.8.5) vergrößert, man also bereits das Gefühl hat, das Produkt gehöre einem, was den Kaufprozess beeinflussen kann.

Geschmackssinn

Wirklich schmecken tun wir viel weniger, als wir meinen. Die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge schmecken nämlich nur, ob etwas süß, sauer, bitter oder salzig ist. Neuerdings wird auch noch der Geschmack umami genannt, mit dem wir Glutamat schmecken können (z. B. Chaudhari, N./Pereira, E./Roper, S. D. 2009). Viele Geschmacksrichtungen schmecken wir nicht, wir riechen sie vielmehr. Geruchs- und Geschmackssinn wirken also zusammen, was wir einfach nachvollziehen können, wenn wir verschnupft sind, die Nase also zu ist. Dann schmecken wir auch kaum etwas. Gerade für das Schmecken sind daher Vorwissen und Erfahrungen sehr bedeutsam.

Geruchssinn

Der Geruchssinn liefert uns ganz komplexe und differenzierte Informationen, die zum Beispiel notwendig sind, um noch essbare Nahrungsmittel zu erkennen. Auch sind durch Lernprozesse vielfältige Gefühle mit bestimmten Düften assoziiert. Darüber hinaus riechen wir sogar unbewusst bestimmte Duftstoffe (Pheromone), die eine bedeutende Rolle bei unserer Fortpflanzung bzw. der Partnerwahl spielen. Der Geruch ist zudem wichtig für unseren Geschmack.

Hörsinn

Wir hören Töne, weil es Schallwellen gibt, die sich mit 343 Metern pro Sekunde in Form von Sinuswellen ausdehnen und die uns umgebenden Luftmoleküle in Schwingung bringen. Ohne Luft gibt es auch keine Töne. Die Frequenz der Schwingungen bestimmt die Tonhöhe von tief (niedrige Frequenz) bis hoch (hohe Frequenz). Das Hören ermöglicht uns nicht nur den Musikgenuss und das Erlernen von Sprache, es ist auch für die Lokalisation von Objekten essenziell. Zudem ist Musikgenuss mit starken emotionalen Empfindungen verbunden, weswegen Musik auch gerne und häufig in der Werbung und allgemein in den Medien (Spiele, Filme) zur Emotionalisierung genutzt wird.

Sehsinn

Das Sehen gilt generell als der komplexeste bzw. am besten ausgebildete menschliche Sinn. In unseren Augen wird Licht durch die Sinneszellen auf der Retina verarbeitet. Über die sogenannten Stäbchen wird die Helligkeit der Umgebung registriert, die Zapfen sind für das Farbsehen zuständig. An unsere Sehfähigkeit sind zahlreiche weitere Funktionskomplexe gebunden, etwa die Orientierung im Raum und motorische Funktionen wie das Greifen oder Werfen. Im Erwachsenenalter ist Sehen unser dominanter Sinn.

2.1.2 Informationsverarbeitung


Top-down- und Bottom-up-Prozesse

Unsere Wahrnehmung ist ein komplizierter Konstruktionsprozess, der sich aus unterschiedlichen Quellen speist. Auf der einen Seite haben wir die Objekte der inneren und äußeren Umwelt, die sogenannten distalen Reize, die eine Reihe von Eigenschaften z. B. Größe, Form oder Farbigkeit besitzen und in unseren Sinnesorganen zu entsprechenden Empfindungen führen (proximaler Reiz). Damit aus diesen Empfindungen eine Wahrnehmung eines bestimmten Objektes wird, müssen sich zu den reinen Daten auch noch Erfahrungen und Wissen hinzugesellen, die aus einer bestimmten Reizkonfiguration ein identifiziertes Objekt machen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von sogenannten Bottom-up-Prozessen, wenn es darum geht, zu beschreiben, was der Reiz an sich uns nahelegt. Mit Top-down-Prozessen meinen wir dagegen jene Prozesse, die die Daten mit unserem Vorwissen in Verbindung bringen und somit die eigentliche Reizerkennung bestimmen (siehe Abb. 2.1). Anders formuliert:

Merke

Die Menge an Einzelinformationen, die ein Reiz zur Verfügung stellt und die wir sinnlich empfinden, reicht nicht aus, um daraus eine bedeutungsvolle Einheit zu machen, es bedarf einer sinnvollen Organisation dieser Einzelinformationen, die dann die Identifikation des...

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