Throne of Glass 6 - Der verwundete Krieger - Roman

Throne of Glass 6 - Der verwundete Krieger - Roman

von: Sarah J. Maas

dtv, 2018

ISBN: 9783423434720

Sprache: Deutsch

896 Seiten, Download: 1625 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Throne of Glass 6 - Der verwundete Krieger - Roman



I DIE STADT DER GÖTTER


1


Chaol Westfall, ehemaliger Captain der königlichen Garde und jetzt rechte Hand des frisch gekrönten Königs von Adarlan, hasste ein Geräusch inzwischen mehr als jedes andere.

Das Geräusch von Rädern.

Besonders ihr Rattern auf den Planken des Schiffs, auf dem er die vergangenen drei Wochen durch sturmgepeitschte Gewässer gesegelt war. Und nun ihr Mahlen und Knirschen auf den glänzend grünen Marmorböden und kunstvollen Mosaiken im prunkvollen Palast des Großkhans in Antica auf dem südlichen Kontinent.

Dazu verdammt, nur noch in diesem Rollstuhl zu sitzen – der sowohl sein Gefängnis als auch seine einzige Möglichkeit war, die Welt zu sehen –, nahm Chaol jedes Detail des riesigen Palasts in sich auf, der auf einem der vielen Hügel der Hauptstadt prangte. Selbst das kleinste Stück Baumaterial war aus irgendeinem Teil des mächtigen Reichs des Großkhans geholt und zu Ehren der jeweiligen Gegend verbaut worden:

Die polierten grünen Fliesen, über die sein Rollstuhl jetzt rumpelte, waren in Steinbrüchen im Südwesten des Kontinents gewonnen worden. Die roten Säulen, die mächtigen Baumstämmen glichen, deren Äste sich bis in die Kuppeln der Decke hoch über ihnen erstreckten – alles Teil der schier endlosen Empfangshalle –, waren aus den sandverwehten Wüsten im Nordosten hergebracht worden.

Die in den grünen Marmor eingelassenen Mosaiken waren von Handwerkern aus Tigana gestaltet worden, einer weiteren kostbaren Stadt des Großkhans am gebirgigen Südzipfel des Kontinents. Jedes Mosaik zeigte eine Szene aus der reichen, brutalen, glorreichen Vergangenheit des Großkhanats: die Jahrhunderte, in denen das nomadische Pferdevolk in den Grassteppen der östlichen Länder des Kontinents gelebt hatte; der Aufstieg des ersten Großkhans, eines Kriegsherrn, der die verstreuten Stämme zu einer Eroberungsstreitmacht geeint, den Kontinent Stück um Stück eingenommen und mit raffinierter und strategischer Brillanz ein mächtiges Reich geschmiedet hatte; und dann Abbildungen der drei Jahrhunderte seither – die verschiedenen Großkhane, die das Reich noch erweitert, den Wohlstand von hundert Territorien quer übers Land verteilt, unzählige Brücken und Straßen gebaut hatten, um sie alle miteinander zu verbinden, und die zielgerichtet und mit Weitsicht über den gewaltigen Kontinent geherrscht hatten.

Vielleicht stellten die Mosaiken eine Vision dessen dar, was Adarlan hätte sein können, überlegte Chaol, während das Raunen des versammelten Hofes den Raum zwischen den verzierten Säulen und den vergoldeten Kuppeln über ihm erfüllte. Jedenfalls wenn Adarlan nicht von einem Mann regiert worden wäre, der von einem Dämonenkönig besessen war, wild entschlossen, diese Welt in ein Festmahl für seine Horden zu verwandeln.

Chaol drehte den Kopf, um zu Nesryn hochzuspähen, die mit steinernem Gesicht seinen Stuhl vor sich herschob. Nur ihre dunklen Augen, deren Blick über jedes vorbeiziehende Gesicht, jedes Fenster und jede Säule huschte, verrieten ein gewisses Interesse an dem weitläufigen Anwesen des Großkhans.

Sie hatten sich ihre prächtigste Kleidung für den heutigen Tag aufgespart, und Nesryn, frisch ernannter Captain der Garde, war in der Tat prachtvoll anzusehen in ihrer rot-goldenen Uniform. Es war ihm ein Rätsel, wo Dorian eine der Uniformen ausgegraben hatte, die Chaol einst mit solchem Stolz getragen hatte.

Eigentlich hatte er Schwarz tragen wollen, weil Farbe … Mit Farben konnte er einfach nichts anfangen, außer mit dem Rot und Gold seines Königreichs. Aber Schwarz war zur Farbe von Erawans durch Valg verseuchte Garde geworden. In vollkommen schwarzen Uniformen hatten sie Rifthold terrorisiert, seine Männer zusammengetrieben, gefoltert und abgeschlachtet.

Um sie dann an die Palasttore zu hängen, wo sie im Wind hin und her geschaukelt waren.

Er hatte den Anblick der anticanischen Wachen kaum ertragen können, an denen sie auf ihrem Weg hierher vorbeigekommen waren – sowohl in den Straßen als auch in diesem Palast standen sie stolz und wachsam da, Schwert auf dem Rücken, Messer an der Seite. Selbst jetzt widerstand er dem Drang, dorthin zu sehen, wo sie, wie er wusste, in der Halle positioniert waren, wo er seine eigenen Männer positioniert hätte. Wo er zweifellos selbst gestanden und alles überwacht hätte, wenn Gesandte aus einem fremden Königreich ankamen.

Nesryns tiefschwarze Augen erwiderten seinen Blick, kühl und unbewegt. Ihr schulterlanges, schwarzes Haar wippte bei jedem Schritt. Keine Spur von Nervosität auf ihrem schönen, ernsten Gesicht. Kein Hinweis darauf, dass sie gleich einen der mächtigsten Männer der Welt treffen würden – einen Mann, der das Schicksal ihres eigenen Kontinents in dem Krieg, der mit Sicherheit inzwischen Adarlan und Terrasen überzog, verändern konnte.

Chaol blickte wieder nach vorn, ohne ein Wort zu sagen. Die Mauern und Säulen und bogenförmigen Durchgänge hatten Augen und Ohren und Münder, hatte sie ihn gewarnt.

Es war allein dieser Gedanke, der Chaol daran hinderte, an den Kleidern herumzuzupfen, für die er sich schließlich entschieden hatte: hellbraune Hosen, kniehohe kastanienbraune Stiefel und ein weißes Hemd aus feinster Seide, das größtenteils von einer dunklen blaugrünen Jacke verborgen wurde. Die Jacke war ziemlich schlicht, nur die Reihe feiner Messingschnallen entlang der Vorderseite und das Schimmern des zarten, goldenen Garns, das den Stehkragen und die Ränder säumte, verrieten ihren Wert. Kein Schwert hing an seinem Ledergürtel – und das Fehlen dieses tröstlichen Gewichts fühlte sich an wie ein fehlender Arm.

Oder fehlende Beine.

Zwei Aufgaben. Er hatte zwei Aufgaben während seines Aufenthalts hier und er war sich immer noch nicht sicher, welche sich als die unmöglichere entpuppen würde:

Den Großkhan und seine sechs potenziellen Thronerben zu überzeugen, ihre stattlichen Armeen in den Krieg gegen Erawan zu schicken …

Oder eine Heilerin an der Torre Cesme zu finden, die ihm irgendwie das Laufen wieder beibrachte.

Die ihn, wie er mit einigem Abscheu dachte, wieder reparieren konnte.

Er hasste dieses Wort. Beinahe ebenso sehr wie das Geklapper der Räder. Reparieren. Obwohl es genau das war, worum er die legendären Heilerinnen anflehen würde, schmerzte es ihn, drehte es ihm den Magen um.

Er stieß das Wort und den Gedanken von sich, während Nesryn dem fast lautlosen Schwarm von Dienern folgte, die sie vom Hafen hierhergebracht hatten, durch die gewundenen und staubigen Kopfsteinpflasterstraßen Anticas, den ganzen Weg bergauf über die Allee zu den Kuppeln und den sechsunddreißig Minaretten des Palastes.

Weiße Stoffstreifen – aus Seide oder Filz oder Leinen – hatten aus unzähligen Fenstern, von Laternen und Türen gehangen. Wahrscheinlich weil irgendein Amtsträger oder entfernter königlicher Verwandter jüngst gestorben war, hatte Nesryn gemurmelt. Es gab ganz unterschiedliche Trauerrituale, oft eine Mischung aus den Bräuchen der vielen Königreiche und Territorien, die jetzt vom Großkhanat regiert wurden, aber das weiße Tuch war ein uraltes Überbleibsel aus den Jahrhunderten, in denen die Untertanen des Großkhans durch die Steppe gestreift waren und ihre Toten unter dem wachsamen freien Himmel zur ewigen Ruhe gebettet hatten.

Die Stimmung in der Stadt war jedoch keineswegs niedergeschlagen gewesen, als sie sie durchquert hatten. Menschen in unterschiedlichster Gewandung waren herumgeeilt, Kaufleute hatten ihre Waren angepriesen und Altardiener hatten die Menschen auf der Straße in ihre Tempel aus Holz oder Stein gewunken – in Antica hatte jede Gottheit ein Zuhause, hatte Nesryn erklärt. Keine Niedergeschlagenheit – nicht einmal im Palast, über den der glänzende, aus hellen Steinen erbaute Turm der Torre auf einem der südlichen Hügel wachte.

Die Torre Cesme. Deren Turm die fähigsten sterblichen Heilerinnen der Welt beherbergte. Chaol hatte versucht, ihn nicht allzu lange durch die Fenster der Kutsche anzuschauen, wenngleich das gewaltige Bauwerk von fast jeder Straße und jedem Winkel Anticas aus zu sehen war. Keiner der Diener hatte den Turm erwähnt oder auf seine beherrschende Präsenz hingewiesen, die selbst mit der des Palastes des Großkhans zu wetteifern schien.

Nein, überhaupt hatten die Diener auf dem Weg hierher nicht viel gesagt, auch nichts über die Trauerbanner, die im trockenen Wind flatterten. Alle hatten geschwiegen, Männer wie Frauen mit dunklem, glänzend glattem Haar, in weiten Hosen und weich fließenden, kobaltblauen und blutroten Jacken, die mit hellem Gold gesäumt waren. Bezahlte Diener – aber Nachfahren jener Sklaven, die einst dem Geschlecht des Großkhans gehört hatten. Bis eine Generation zuvor die damalige Khatum – wie ein weiblicher Großkhan genannt wurde –, Visionärin und Hitzkopf zugleich, die Sklaverei für gesetzwidrig erklärt hatte, eine ihrer vielen Verbesserungen dieses Reiches. Die Khatum hatte ihre Sklaven befreit, sie aber als bezahlte Diener behalten – mitsamt ihren Kindern. Und jetzt waren es die Kinder dieser Kinder.

Keiner von ihnen schien unterernährt oder unterbezahlt zu sein und keiner hatte auch nur einen Hauch von Furcht gezeigt, als sie Chaol und Nesryn vom Schiff zum Palast eskortiert hatten. Der gegenwärtige Großkhan behandelte seine Diener sehr gut, wie es schien. Hoffentlich würde sein – bis jetzt noch ungewisser – Thronfolger das Gleiche tun.

Anders als in Adarlan oder Terrasen entschied der Großkhan oder die Khatum darüber, wer das Reich erbte – nicht die Geburtenfolge oder...

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