Die Sprache der Tiere - Wie wir einander besser verstehen

Die Sprache der Tiere - Wie wir einander besser verstehen

von: Karsten Brensing

Aufbau Verlag, 2018

ISBN: 9783841216038

Sprache: Deutsch

267 Seiten, Download: 20823 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die Sprache der Tiere - Wie wir einander besser verstehen



2. Nonverbale Kommunikation


Als nonverbale Kommunikation wird im Prinzip jede Art der Interaktion bezeichnet, die nichts mit Sprache zu tun hat. Auch wenn ich Ihnen im Titel des Buches versprochen habe, Ihnen die Sprache der Tiere näherzubringen, so möchte ich doch die nichtsprachliche Kommunikation nicht ganz ignorieren.

Ohne Zweifel ist diese Form der Kommunikation viel älter als die sprachliche, und es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die nonverbale Kommunikation sehr einfach, aber auch ausgesprochen komplex sein kann. Es ist beispielsweise relativ leicht, an der Körpersprache eines Menschen oder eines Tieres bestimmte Dinge abzulesen. Psychologen und Verhaltensbiologen haben gleichermaßen viel Freude daran, in einer bestimmten Körperhaltung oder einer Bewegung Dinge zu entdecken, die nicht offenkundig etwas mit aktiver Kommunikation zu tun haben. Dabei handelt es sich oft um unbewusst ablaufendes Verhalten, und es spielt überhaupt keine Rolle, ob wir dies bei Tieren oder Menschen beobachten.

Etwas komplizierter wird die echte Kommunikation, wenn der Organismus darauf angewiesen ist, verstanden zu werden. Dies klingt zwar logisch, ist aber etwas ganz anderes als die Interpretation einer Körperhaltung oder gerichteten Bewegung. Zunächst einmal müssen wir uns über eines klar sein: Jedes Signal ist nur so gut, wie es eindeutig codiert werden kann. Es geht nämlich darum, ein Signal so zu codieren, dass es unmissverständlich ist. Nun haben sich im Verlauf der Evolution nicht irgendwann einmal ein paar Tiere einen Code ausgedacht und sich darüber verständigt, wie er zu verwenden ist. Der Code hat sich über Jahrmillionen ausgeprägt. Doch wie muss man sich das vorstellen?

Vielleicht haben Sie schon einmal ein Tier, das Sie nicht kannte, gefüttert. Eine Nahrungsquelle ist zweifellos attraktiv, und die meisten Tiere verspüren einen unwiderstehlichen Drang, sich zu bedienen. Demgegenüber steht die Angst vor dem fütternden, aber auch potentiell gefährlichen Menschen. Viele Tiere tun dann etwas ziemlich Komisches, sie drehen beispielsweise den Kopf zur Nahrungsquelle, wohingegen ihre Füße versuchen, in die Gegenrichtung fortzulaufen. Für den Betrachter sieht dies oft albern aus, denn es ist sonnenklar, dass dieses Verhalten völlig sinnlos ist. Das arme Tierchen sitzt praktisch zwischen den Stühlen seiner einander widersprechenden inneren Motivationen. In der Verhaltensbiologie spricht man von sogenannten Übersprungshandlungen, und früher glaubte man hier das Wirken zweier gegensätzlicher Instinkte zu sehen.

Diese Handlungen sind an sich völlig sinnlos, haben aber als eindeutiges Signal einen großen Wert. Der Balztanz vieler Vögel beispielsweise besteht zu Teilen aus Übersprungsverhalten, das in diesem Kontext als eindeutiges Signal der Brautwerbung Verwendung findet.

Eine andere Form der eindeutigen Signalübermittlung ist der Tanz der Honigbienen. Bei diesem Tanz handelt es sich um eine extrem abstrakte Form der Kommunikation. Es gibt zwei verschiedene Tänze. Bei dem Rundtanz wird den anderen Bienen nur gesagt, dass sich eine Nahrungsquelle in unmittelbarer Umgebung des Bienenstocks befindet. Die Bienen, die mit dem Tanz animiert werden sollen, selbst auf Nahrungssuche zu gehen, riechen und schmecken die gesammelten Schätze der tanzenden Biene und sind dann entsprechend motiviert.

Die zweite Tanzform ist ausgesprochen kompliziert, denn mit dem Tanz wird nicht nur die Art der Nahrung, sondern auch die räumliche Position relativ genau beschrieben. Dazu werden zwei Informationen, nämlich Richtung und Entfernung, angegeben. Allein die Angabe der Richtung ist schon ein kleines Wunder. Bienen orientieren sich am Stand der Sonne. Diese können sie, dank ihrer Fähigkeit, auch polarisiertes Licht zu sehen, sogar bei bedecktem Himmel erkennen. Nun findet der Tanz aber im dunklen Bau statt und zu allem Überfluss nicht in der Horizontalen, sondern in der Vertikalen. Die Bienen erbringen dabei eine kleine Meisterleistung, indem sie die Schwerkraft mit der Sonne gleichsetzen. Ein Tanz nach oben bedeutet eine Flugrichtung direkt auf die Sonne zu. Wird von der Schwerkraftachse beispielsweise 10 Grad nach rechts abgewichen, dann bedeutet dies, dass die Nahrungsquelle 10 Grad rechts von der Sonne zu finden ist. Doch damit nicht genug. Während des Tanzes vibriert der Hinterleib seitlich hin und her (Schwänzeln). Je häufiger geschwänzelt wird und je länger der Tanz in eine Richtung dauert, desto weiter entfernt ist die Nahrungsquelle.10 Vor einiger Zeit wurde sogar noch ein weiterer Mechanismus entdeckt.

Beim Flug entsteht durch die Bewegung der Flügel ein elektrisches Potential auf dem Bienenkörper. Die Höhe des Potentials richtet sich nach der Dauer des Fluges, und die elektrische Spannung kann sich bis maximal 450 Volt summieren. Diese Spannung kann von den anderen Bienen wahrgenommen werden, und so wird die wichtige Information der Distanz zweifach vermittelt.11 Doch dies ist noch nicht alles, denn trotz dieser bereits komplexen Informationen wäre es für die Tiere schwer, die genaue Nahrungsquelle zu finden. Aus diesem Grund versprühen im Freiland andere Bienen mit ihren Nasanov-Drüsen Duftstoffe direkt über der Nahrungsquelle. Der Geruch hilft also den Bienen, auf den letzten Metern den richtigen Futterplatz zu finden.

Außerdem darf ich nicht unterschlagen, dass auch die Geräusche, die die Bienen während des Schwänzeltanzes von sich geben, eine Rolle spielen. Letzteres konnte man mit kleinen Roboterbienen nachweisen, denn erst nachdem die Roboterbienen auch summten, wurden sie ernst genommen und konnten andere Bienen überzeugen, den Bau zu verlassen, um auf Nahrungssuche zu gehen. Wir haben also bei Bienen eine ganze Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationskanäle. Neben der Körpersprache und der Akustik kommen zusätzlich eine elektrische und chemische Kommunikation hinzu.

Natürlich fragt man sich, wie sich so etwas Komplexes entwickelt haben kann. Derzeit gehen die Forscher davon aus, dass der Rundtanz zuerst da war und dass sich eine einfache Form des Schwänzeltanzes entwickelt hat, um beim Ausschwärmen (Vermehrung eines Volkes) sicherzustellen, dass ein Bienenvolk ungefährdet eine neue Bleibe findet. Für Bienen kann ein solcher Umzug lebensbedrohlich sein, und daher suchen Kundschafter vorher die Umgebung nach geeigneten Plätzen ab. Ist ein solcher Platz gefunden, muss den anderen Bienen eindeutig vermittelt werden, wo er ist.

Der Evolutionsdruck ist in solchen Momenten gigantisch, und die Natur ist bestrebt, eine möglichst perfekte Anpassung zu erreichen. In diesem Fall ist die Anpassung die Redundanz der Informationen. Auf unterschiedlichen Kanälen werden die wichtigen räumlichen Informationen vermittelt, und so wird das Risiko für Fehler minimiert.

Sie können sich sicher vorstellen, wie lange ein solcher Prozess im Verlauf der Evolution gedauert haben muss, und damit sind wir auch gleich bei einem extremen Nachteil der nonverbalen Kommunikation. In den allermeisten Fällen ist diese nämlich angeboren und unterliegt den Mechanismen der Selektion. Diese Form der Kommunikation ist also alles andere als dynamisch und anpassungsfähig. Jede kleine Veränderung bedarf einer Mutation, die sich dann über mehrere Generationen stabilisieren muss. Im Gegensatz dazu ist eine sprachliche Kommunikation so schnell wie das Licht im Verhältnis zur Durchschnittsgeschwindigkeit einer Weinbergschnecke. Doch Achtung! Die nonverbale Kommunikation hat es durchaus in sich, wie wir in den folgenden Beispielen sehen werden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich während meiner Schulzeit einen Vortrag halten musste und von meiner Deutschlehrerin für mein Herumhampeln kritisiert wurde. Heute werde ich wegen meiner lebhaften Präsentationen gelobt und in Talkshows eingeladen. Unsere Sprache beschränkt sich nicht nur auf das, was unseren Mund verlässt, sondern umfasst unseren ganzen Körper. Gorillas beispielsweise haben circa 126 Gesten,12 Schimpansen 115. Orang-Utans haben nicht ganz so viele Gesten, denn sie leben bei weitem nicht so sozial und haben sich wahrscheinlich nicht so viel zu sagen. Erstaunlich ist aber, dass wir mit diesen Menschenaffenarten einen gemeinsamen »Grundwortschatz« von etwa 24 Gesten teilen13 ‒ Gesten, die schon Kindern genetisch in die Wiege gelegt wurden.14 Ich möchte Ihnen aber auch nicht vorenthalten, dass die Übertragung tierischer auf menschliche Gesten durchaus umstritten ist. Der in Leipzig arbeitende Anthropologe Michael Tomasello bezweifelt dies. An der Geste des Auf-etwas-Zeigens (Pointing) macht er deutlich, dass nur wir Menschen die Geste in einer abstrakten oder auch ikonischen Form anwenden.15 Doch dazu später mehr.

Die Gesten reichen über die Bitte um Essen, die Aufforderung zum Kuscheln bis hin zu so kraftvollen Gesten wie der des drohend erhobenen Armes. Oft machen wir diese Gesten unbewusst oder zur Untermalung und Verstärkung des Gesagten. Wir tun es aber auch im Ausland, wenn keiner unsere Sprache spricht. Wie Sie wissen, funktioniert das überraschend gut. Wenn Sie sich für diese und andere Gesten interessieren, dann empfehle ich Ihnen ein YouTube-Video,16 das auf Grundlage einer detaillierten Untersuchung bei Bonobos und Schimpansen erst kürzlich veröffentlicht wurde.17

Ich könnte jetzt unzählige Beispiele für Körpersprache bei verschiedenen Tieren bringen, könnte über den Buckel der Katze und über das Wedeln des Hundeschwanzes reden. Doch all diese Aspekte finden sich zuhauf in diversen Ratgeberbüchern. Was mir am Herzen liegt, ist, Ihnen ein Gefühl dafür zu geben, wie...

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