William Wenton 1: William Wenton und die Jagd nach dem Luridium

William Wenton 1: William Wenton und die Jagd nach dem Luridium

von: Bobbie Peers

Carlsen Verlag GmbH, 2017

ISBN: 9783646929201

Sprache: Deutsch

240 Seiten, Download: 4098 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

William Wenton 1: William Wenton und die Jagd nach dem Luridium



William stieg die Treppen hinunter und blieb dann stehen. Zwei riesige Wärter in grauen Anzügen versperrten den Eingang. In der Halle hinter ihnen drängten sich die Leute dicht an dicht. Der eine Wärter sprach mit einem wütenden kleinen Mann, der hineinwollte. Der kleine Mann hielt dem Wärter eine Eintrittskarte unter die Nase.

»Ich habe schon bezahlt! Sie müssen mich durchlassen, wenn ich eine Eintrittskarte habe!«, rief er.

»Dann hätten Sie früher kommen müssen. Wir können nicht noch mehr einlassen. Es ist schon jetzt überfüllt.« Der Wärter zeigte demonstrativ auf die Menschenmenge hinter sich.

»Sehen Sie mich doch an, ich bin eins neunundvierzig groß und wiege fünfzig Kilo. Ob ich hier draußen oder da drinnen bin, das merkt doch niemand«, sagte der Mann.

»Tut mir leid«, sagte der andere Wärter energisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

Der kleine Mann blieb noch einige Sekunden stehen. William sah, dass er die Fäuste ballte wie ein trotziger kleiner Vierjähriger. Sein Gesicht wurde immer röter und es schien so, als ob er jeden Augenblick explodieren könnte.

Dann machte er kehrt und lief die Treppe hoch. William ging zu den Wärtern.

»Entschuldigung«, sagte er so unschuldig, wie er nur konnte.

Die beiden Männer schauten auf ihn herab.

»Ich bin mit meiner Klasse hier, und wir sollen da rein«, sagte er und zeigte in den Saal.

»Ist deine Klasse schon drinnen?«, fragte der eine Wärter.

»Äh … ja«, sagte William zögernd.

»Hast du einen Stempel?«

William zögerte. Er wollte schon etwas sagen, als eine Gestalt durch die Luft geschossen kam und gegen den einen Wärter knallte.

»EINLASSEN! EINLASSEN! EINLASSEN!«, rief der kleine Mann und klammerte sich an den Hals des Wärters, während er versuchte, über den Mann hinüberzuklettern und so in den Saal zu gelangen.

Der Wärter versuchte, ihn wegzuwischen, wie man das mit einer wütenden Wespe macht.

»Hol den da runter«, rief er, »Hol den da runter!«

Der andere Wärter stürzte auf ihn zu, packte den kleinen Mann an den Beinen und versuchte, ihn von seinem Kollegen wegzuzerren. Aber der kleine Mann klammerte sich fest wie ein wütender Tintenfisch.

»Er ist stärker, als er aussieht, Håvard. Kitzel ihn doch mal eine Runde, vielleicht lässt er dann los.«

»Kitzel du ihn doch, Svein«, rief der andere Wärter und fuchtelte mit den Armen.

Weitere Wärter kamen angelaufen, um zu helfen. Alle waren so beschäftigt, dass niemand bemerkte, wie William sich durch die offene Tür schlich. Kurz darauf stand er mitten in der Menschenmenge in einem riesigen Raum. Er spürte am ganzen Leib ein Kribbeln. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Herr Humburger merken würde, dass jemand fehlte.

»Jetzt bleiben nur noch fünf Minuten, um den schwierigsten Code der Welt zu knacken«, verkündete eine Stimme über Lautsprecher. »Viele haben es versucht, aber noch hat es keiner geschafft.«

William schaute sich um. An der Wand am anderen Ende des Saales entdeckte er einen Bildschirm mit großen roten Ziffern, die einen Countdown anzeigten. Über dem Bildschirm hing ein Plakat mit einem Foto der Unmöglichkeit. William bahnte sich einen Weg durch die Menge. Er hatte durchaus nicht vor, den Code zu knacken. Er wollte ihn nur sehen. Am liebsten, während andere sich an der Lösung versuchten. Er spürte, wie sein Puls schneller wurde und Adrenalin durch seine Adern schäumte.

Zwei Minuten später hatte sich William nach vorn gedrängt und stand jetzt vor einer kleinen Bühne.

Auf der Bühne standen ein Tisch und ein Stuhl. Auf dem Stuhl saß ein dünner Mann von Mitte vierzig. Die langen blonden Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er beugte sich über den Tisch und drehte an einem Zylinder herum. Kleine Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn. Er keuchte und schnaufte, während er immer wieder nervöse Blicke auf den Bildschirm an der Wand warf.

Ein rundlicher Mann im Anzug trat neben dem Tisch nervös von einem Fuß auf den anderen. William erkannte ihn sofort. Er hatte ihn schon oft im Fernsehen gesehen. Der Mann hieß Ludo Kläbbert und war eine Art witziger Moderator für alles Mögliche. Ludo Kläbbert hob ein Mikrofon an den Mund und schaute ebenfalls zum Bildschirm hoch, während er mit dem Countdown begann.

»Zehn … neun … acht … sieben …«

Bald zählten alle im Saal mit ihm zusammen. Der Langhaarige schien kurz vor einer Ohnmacht zu stehen.

»… fünf … vier … drei … zwei … eins … null!«, rief Ludo. »Ihre Zeit ist um. Haben Sie das Rätsel gelöst, Vektor Hansen?« Ludo ging zu dem schweißnassen Mann an dem kleinen Tisch.

Vektor Hansen legte die Unmöglichkeit vorsichtig hin und schüttelte beschämt den Kopf.

»Nicht einmal Vektor Hansen, der Mann mit dem höchsten IQ Norwegens, kann die Unmöglichkeit knacken. Das ist wirklich eine harte Nuss!«, rief Ludo.

Plötzlich sprang Vektor Hansen auf und riss das Mikrofon an sich.

»Das ist doch nur Pfusch! Ein mieser Witz! Man kann das gar nicht lösen«, bellte er ins Mikrofon.

Er schnappte sich die Unmöglichkeit und hob sie drohend über seinen Kopf, als wolle er sie auf den Boden schleudern.

»Das ist nur ein Jux!«, rief er wieder.

Ludo Kläbbert winkte zwei uniformierten Wärtern, die auf die Bühne sprangen, Vektor die Unmöglichkeit aus der Hand rissen und sie Ludo reichten. Die Wärter zogen Vektor Hansen von der Bühne. Einige lachten, andere buhten.

»Ich bin noch immer viel cleverer als ihr alle zusammen!«, rief Vektor Hansen, während er durch eine Tür neben der Bühne getragen wurde. »Gegen mich seid ihr doch bloß ein Haufen Bauerntrottel. Ich bin total intelligent!« Dann knallte die Tür hinter ihm zu und es wurde still im Saal.

Ludo stand mit verdrossener Miene und der Unmöglichkeit in der Hand auf der Bühne. Stimmengewirr erhob sich.

»Ist das wirklich nur Pfusch?«, rief ein Mann.

»Typisch«, meinte ein anderer.

»Nein, nein«, Ludo fuchtelte abwehrend mit den Händen.

»Dann beweisen Sie es!«, rief eine Frau. »Lassen Sie es noch jemanden versuchen!«

Ludo schaute sich nervös um. Sein Blick fiel auf eine ernste Dame mit strenger Brille, die neben der Bühne stand. Sie nickte.

»Na gut, aber nur noch ein Versuch. Eigentlich haben wir keine Zeit mehr. Wer hat Lust, es zu probieren?«, rief Ludo und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus dem Gesicht.

Es wurde still im Saal. Einige murmelten, andere schüttelten den Kopf.

»Niemand?«, fragte Ludo.

»William«, rief plötzlich eine laute Stimme.

William fuhr herum und sah, wie sich Herr Humburger einen Weg durch die Menge bahnte und dabei auf ihn zeigte.

Und alle starrten William an, der direkt neben der Bühne stand.

»Ja, der soll es probieren«, sagte eine weitere Frau.

Ludo Kläbbert warf William einen fragenden Blick zu.

»Ein Kind? Warum nicht? Man weiß ja nie.« Er winkte William zu sich.

»Nein, warten Sie!«, rief Herr Humburger, »ich wollte doch nicht …«

Aber es war schon zu spät. Ludo hatte William auf die Bühne gezogen und ihm die Unmöglichkeit in die Hand gedrückt. William schaute den blanken Zylinder an. Er traute seinen eigenen Augen kaum.

»Nein, nicht …«, rief Herr Humburger jetzt. Er wollte schon auf die Bühne steigen, wurde aber an den Beinen gepackt und heruntergezogen.

»Würdest du es gern versuchen? Einige der hellsten Köpfe der Welt haben es vergeblich probiert.«

William schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht …«

»Ach, komm schon, ein Versuch kann doch nicht schaden«, sagte Ludo lächelnd.

Er wandte sich an das Publikum und schwenkte einen Wurstfinger.

»Was sagen Sie? Soll er es versuchen?«

Die Menge brach in spontanen Applaus aus. William schaute die Unmöglichkeit an.

Er hatte keines der Zeichen auf dem Zylinder schon einmal gesehen. Es waren weder Buchstaben noch Ziffern. Aber dann passierte etwas. Wie immer. Es begann im Magen und fühlte sich an wie ein warmes Ziehen. Dann wanderte es hoch in seinen Brustkorb und weiter in Hände und Kopf. Alles schien ganz von selbst zu gehen. William versuchte, die Unmöglichkeit loszulassen. Aber es war zu spät.

Jetzt schienen die kleinen Teile des Zylinders in seinen Händen lebendig zu werden. Einige Teile wurden kleiner und andere änderten ihre Farbe. Ein paar fingen an zu leuchten, während andere so dunkel wurden, dass sie fast verschwanden. Die Zeichen lösten sich vom Zylinder. Sie schwebten um Williams Kopf wie Schmetterlinge. Er sah ihnen hinterher. Dann machten sich seine Hände an die Arbeit. Sie drehten, wendeten und rotierten die kleinen Knöpfe. Seine Finger wurden schneller und schneller. Klick … klick … klick, hörte er.

Und Ort und Zeit verschwanden.

Erst, als gewaltiges Jubelgebrüll fast die Decke von der großen Halle gehoben hätte, wurde William aus seiner Trance gerissen und schaute auf die Unmöglichkeit hinab, die er noch immer in den Händen hielt. Aber jetzt war es nicht mehr nur ein Zylinder, sondern er hatte sich in zwei geteilt. Und in dem einen Teil war eine kleine Messingplatte mit einer Aufschrift befestigt: »Herzlichen Glückwunsch!«

William brachte kein einziges Wort heraus, er starrte nur die Messingplatte...

Kategorien

Service

Info/Kontakt