Spirit Animals 3: Das Böse erhebt sich

Spirit Animals 3: Das Böse erhebt sich

von: Nix Garth, Sean Williams

Ravensburger Buchverlag, 2016

ISBN: 9783473477074

Sprache: Deutsch

256 Seiten, Download: 3652 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Spirit Animals 3: Das Böse erhebt sich



EIN MEERESBOTE

Conor kauerte am Bug der Telluns Stolz, des schnellsten Schiffs in der Flotte der Grünmäntel. Jedes Mal, wenn das Schiff frontal gegen einen Brecher krachte, wurde er von der Gischt durchnässt, aber wenigstens war er mit seinem Elend allein. Die Nässe war eine geringe Strafe für das, was er getan hatte. Er hatte den Eisernen Eber, den Talisman von Rumfuss, dem Feind übergeben … Conor war zwar immer noch davon überzeugt, keine andere Wahl gehabt zu haben – schließlich hatte er doch seine Familie retten müssen! Trotzdem schämte er sich furchtbar und war verzweifelt.

Zum wiederholten Mal fragte er sich, ob nicht alles ein großer Irrtum war. Er war doch eigentlich zum Hirten geboren! Nie im Leben war er ein Grünmantel und schon gar nicht der Partner eines Großen Tiers. Er war nicht zum Helden bestimmt, aber Erdas brauchte Helden, die die Talismane von den Großen Tieren einsammelten und den großen Schlinger besiegten.

Conor spürte die sanfte Berührung spitzer Zähne im Nacken. Er kannte diese Zähne, sie gehörten Briggan. Briggan packte ihn am Kragen und wollte ihn wie einen verirrten Welpen aus seinem Versteck ziehen.

„Ich komme ja schon“, sagte Conor mit einem Seufzer.

Der Wolf ließ ihn los und machte ein paar Schritte rückwärts.

„Was ist denn?“

Briggan drehte sich um und lief mit trommelnden Pfoten zu der Leiter, die vom Vordeck zum Hauptdeck hinunterführte. An ihrem oberen Ende angelangt, blickte er zurück und starrte Conor mit seinen durchdringenden blauen Augen an.

Conor sah an ihm vorbei. Gleich hinter dem Großmast standen Tarik, Rollan und Abeke in einem Halbkreis, der zwei deutlich sichtbare Lücken hatte. Oder wenigstens sah Conor sie deutlich. An einer hätte er stehen sollen,weshalb Briggan ihn jetzt holte. An der zweiten fehlte Meilin. Meilin, die nie allein nach Zhong aufgebrochen wäre, wenn Conor nicht gegenüber dem Grafen von Trunswick nachgegeben und alles verdorben hätte …

Einen Moment lang betrachtete er seine Gefährten. Tarik, ihr Lehrer und Anführer, war ein erfahrener älterer Grünmantel und in ganz Erdas berühmt. Neben ihm stand Rollan, der Junge aus der Großstadt mit dem flotten Mundwerk. Er grinste und schien nicht darauf zu achten, was Tarik sagte, ganz im Gegensatz zu Abeke. Abeke war ernst und gewissenhaft und machte gern alles richtig. Doch als Conor den Talisman weggegeben hatte, war sie ihm gegenüber verständnisvoller gewesen als die anderen. Vielleicht deshalb, weil sie als Jägerin in sich ruhte und mit Menschen genauso geduldig umging wie mit Tieren.

„Conor, komm doch zu uns!“, rief Tarik. „Wir wollen wieder mithilfe von Arax’ Talisman den Mast hochklettern. Du kannst es als Erster versuchen.“

„Ich dachte, diesmal wäre Abeke als Erste dran“, sagte Rollan und warf Conor einen Blick zu. Er gab sich keine sonderliche Mühe, seine Verachtung zu verbergen, und Conor zuckte zusammen. Früher hatte er Rollan für einen Freund gehalten, aber jetzt nicht mehr. Nicht seit Meilins Verschwinden.

„Es stimmt, Abeke ist dran“, sagte er und ging zu der Gruppe. „Sie kann sowieso besser springen als ich.“

„Deshalb üben wir ja“, erklärte Tarik freundlich. „Für die Suche nach dem nächsten Talisman müsst ihr in Form sein.“

„Nach welchem Talisman denn?“, fragte Abeke. „Wir wissen ja noch gar nicht, wo wir suchen sollen.“

„Und selbst wenn wir es wüssten“, fiel Rollan ein, „würde Conor ihn wahrscheinlich sowieso gleich wieder den Eroberern schenken!“

„Genug jetzt!“, rief Tarik streng. „Wenn wir wieder in Greenhaven sind, erfahren wir sicher mehr. Lenori hat bestimmt ein Großes Tier ausfindig gemacht.“

„Es tut mir wirklich schrecklich leid“, sagte Conor. Er konnte es nicht ertragen, wie Rollan seinem Blick auswich. „Das weißt du doch … aber meine Eltern und Geschwister …“

„Ihr immer mit euren Familien“, brummte Rollan. „Da bin ich ja geradezu froh, dass meine sich frühzeitig abgesetzt hat.“

„Die Menschen, die wir lieben, machen uns stark“, sagte Abeke, „aber zugleich auch schwach. Wenn ihr Leben in Gefahr ist, ist es schwer, sich richtig zu entscheiden.“

Rollan sah sie überrascht an. „Du findest also, Conor hat alles richtig gemacht?“

„Ich sage nur, dass solche Dinge eine Rolle spielen.“ Abekes böser Blick galt beiden. „Solange die Eroberer nicht besiegt sind, sind alle in Gefahr. Alle Familien, auch meine.“

Conor biss sich auf die Lippen. Diesen Vorwurf hatte er verdient. Er streckte die Hand aus, um Briggan den Nacken zu kraulen. Sein struppiges Fell zu spüren, beruhigte ihn immer. Doch seine Finger fassten ins Leere. Briggan stand nicht mehr neben ihm. Das lag vielleicht nur daran, dass eine besonders große Welle das Schiff erfasst und den Wolf ins Taumeln gebracht hatte. Aber Conor hatte das Gefühl, als ginge sogar sein Seelentier auf Distanz zu ihm.

„Abeke hat Recht“, sagte Tarik. Er klang wie immer ruhig, sprach aber mit großem Nachdruck. „Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir uns gut vorbereiten. Hier ist der Talisman. Mal sehen, wie schnell ihr zum Mastkorb raufkommt.“

„Darf Uraza mir helfen?“, fragte Abeke. Ihr Leopard befand sich im Ruhezustand und war nur als Tattoo auf ihrem Unterarm zu sehen. Uraza mochte das Meer nicht.

Tarik schüttelte den Kopf. „Diesmal nicht. Probiert, wie weit ihr nur mithilfe des Talismans springen könnt.“

Abeke nickte. Conor blickte ein wenig besorgt nach oben. Der Mastkorb war eine kleine Plattform und befand sich fast an der Spitze des vierundzwanzig Meter hohen Masts. Man erreichte ihn mithilfe der Webleinen, schmalen, netzähnlichen Leitern aus Seilen, die vom Deck zur Mastspitze hinaufführten. Doch Tariks Übung bestand darin, vom Deck zur ersten Rah hinaufzuspringen. Die Rundhölzer, die quer zur Fahrtrichtung am Mast befestigt waren, wurden Rahen genannt. Die erste Rah hing neun Meter über dem Deck. Erschwert wurde der Sprung durch das heftige Schlingern des Schiffs.

Wenn Abeke die Rah verfehlt, landet sie hoffentlich im Meer, dachte Conor. Es war besser, ins Wasser zu fallen, als auf dem Deck zerschmettert zu werden – außer man landete auf einem der Steinrückenwale, die das Schiff zogen.

„Konzentriere dich“, sagte Tarik. „Konzentriere dich darauf, die Kraft des Talismans für dich zu nutzen. Ziele ganz genau auf die Stelle der Rah, die du erreichen willst, und strecke die Hände rechtzeitig aus, damit du dich dort festhalten kannst.“

Abeke lockerte Schultern und Waden. Uraza konnte extrem gut springen und im Sprung sogar noch die Richtung ändern. Doch wie würde Abeke ohne Urazas Stärke zurechtkommen?

„Los!“, rief Tarik. Das Schiff tauchte gerade in ein Wellental ein.

Abeke sprang. Der Granitwidder, der Talisman von Arax, zog sie mit erstaunlicher Kraft und atemberaubender Geschwindigkeit in die Höhe. In einer kerzengeraden Linie flog sie ihrem Ziel entgegen wie ein perfekt abgeschossener Pfeil – doch dann merkte Conor, dass sie zu schnell flog und zu hoch gesprungen war. Sie würde an allen Seilen und Rahen vorbei- und sogar noch über die Mastspitze hinausfliegen, und dann auf der anderen Seite hinunterfallen!

Unter Conors entsetztem Blick zog Abeke verzweifelt die Knie an und machte einen Salto, um langsamer zu werden. Dann, als sie über die Mastspitze flog, streckte sie die Hände aus und packte ein dünnes Seil – die Fahnenleine, mit der die Grünmäntel, die Hüter Erdas’, ihre Fahne hissten. Einen Augenblick lang fürchtete Conor, die Leine könnte reißen und Abeke würde in den sicheren Tod hinabstürzen.

Doch die Leine hielt. Abeke flog um den Mast herum und knallte mit den Schienbeinen gegen die oberste Rah. Die Leine rutschte ihr durch die Hände, doch dann konnte sie sich wieder festhalten und schwang in die andere Richtung. Diesmal schlug ihr die Rah fast gegen den Kopf. Abeke wich ihr aus, indem sie einen zwar wenig eleganten, dafür aber zweckmäßigen Salto machte und sich mit den Füßen abstieß. Endlich wurde sie langsamer und konnte sich zum Mastkorb hinunterlassen. Von dort blickte sie zum Deck hinunter und winkte. Conor winkte erleichtert zurück.

„Der Talisman hat eine ganz schöne Kraft“, sagte Rollan.

Tarik nickte anerkennend. „Er verstärkt Abekes natürliche Begabung.“

„Klingt einleuchtend“, sagte Rollan. „Aber ein Wolf nützt einem da oben wahrscheinlich nichts.“ Er sah Conor an.

Conor versuchte herauszufinden, ob das als Scherz gemeint gewesen war, doch Rollan blickte schon wieder nach oben. Essix, die auf einem Tau gesessen hatte, war plötzlich mit einem lang gezogenen Schrei aufgeflogen.

„Hat sie etwas gesehen?“, fragte Conor.

Rollan zeigte nach Backbord, über das blaue Meer mit den weißen Schaumkronen hin zum gekrümmten Horizont. „Ich glaube, einen Vogel. Dort.“

Tarik hielt sich die Hand über die Augen und blickte in die Richtung. „Ich sehe nichts.“

„Doch, ein kleiner, tief fliegender schwarz-weißer Vogel“, fuhr Rollan fort. „Es sieht aus, als hüpfte er über die Wellen. Er kommt geradewegs...

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