Psychiatrische Pflege. (Basiswissen, Band 14)

Psychiatrische Pflege. (Basiswissen, Band 14)

von: Hilde Schädle-Deininger

Psychiatrie-Verlag, 2008

ISBN: 9783884147214

Sprache: Deutsch

148 Seiten, Download: 712 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Psychiatrische Pflege. (Basiswissen, Band 14)



Die pflegerische Beziehung (S. 66-67)

Pflegerische Zugangswege zum Patienten

Es gibt eine Reihe von Gegebenheiten auf der Seite psychisch erkrankter Menschen, die die Kommunikation und Beziehung erschweren. Hier müssen Pflegepersonen Mittel und Wege finden, die Hindernisse professionell zu reduzieren. In der Regel findet die Begegnung eines psychisch erkrankten Menschen mit einem Mitarbeiter in einem besonderen Rahmen statt: Er selbst sucht je nach Krankheitsintensität und Beeinträchtigung nur selten die Hilfe, erlebt sich selbst häufig nicht als krank und nimmt vielfach Hilfeangebote als Übergriff in seine Autonomie oder sogar als bedrohlich wahr.

Diese subjektiv empfundene Bedrohung und die damit verbundene Angst können zu Ablehnung, Aggression und auch Gewalt führen. Die Einnahme der verordneten Medikamente oder die Krankheitsdynamik selbst können sowohl die Denkfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit als auch Antrieb und Beweglichkeit reduzieren, was wiederum zur Verwahrlosung führen kann. Weitere Hürden in der Beziehungsgestaltung entstehen durch soziokulturelle Unterschiede: Herkunft aus einem anderen Sprachraum und einer anderen Kultur, dissoziale Verhaltensweisen, extreme politische Einstellungen oder ausgeprägte Bildungsdefizite. Um die Kommunikation, den Kontakt und die Beziehungsaufnahme zu psychisch erkrankten Menschen positiv zu gestalten, lassen sich die folgenden Zugangswege gezielt einsetzen.

Beim körpernahen Zugang fragen wir die Patientinnen und Patienten beispielsweise nach Hunger und Durst oder stellen fest, wenn er humpelt, spröde Lippen hat und Ähnliches. Wir sorgen dafür, dass er trinkt, wenn er ausgetrocknet erscheint (besonders bei älteren Menschen), überreden ihn zum Baden, wenn er »streng« riecht, sprechen ihn an, wenn er müde aus sieht, fragen, woher er seine blauen Flecken hat, kümmern uns um seine Verdauungsbeschwerden, sorgen dafür, dass er sich ausreichend bewegt, machen ihn auf zu enge Kleidung aufmerksam und sagen ihm, wenn er sich unserer Meinung nach besonders chic gemacht hat. Wir brauchen den körpernahen Zugang besonders bei Menschen, die selbst keinen oder wenig Bezug zum eigenen Körper haben, die ihre Grundbedürfnisse nicht oder nicht ausreichend wahrnehmen oder die stark in sich gekehrt sind.

Beim gemeinsamen Tun teilen wir erst einmal einfach Zeit mit dem Patienten, in der geredet werden kann, aber nicht muss. Wir gehen etwa zusammen spazieren oder einkaufen, backen einen Kuchen oder kochen miteinander, arbeiten beim Geschirrspülen Hand in Hand, beziehen gemeinsam das Bett und räumen zusammen die Wohnung auf. Wir spielen Tischtennis oder Brettspiele, sehen zusammen Nachrichten und blättern in einem Bildband, trinken zusammen Kaffee und essen gemeinsam. Wir brauchen das gemeinsame Tun als Zugang besonders bei Menschen, die so durcheinander sind, dass wir ihre verbalen Äußerungen kaum verstehen können, die stark antriebsgestört sind, die so isoliert sind, dass es sonst keine Gemeinsamkeiten gibt, und die ihre Fähigkeiten und Stärken nicht zeigen können.

Bei der Konversation knüpfen wir an allgemeine Gepflogenheiten an. Überall, wo Menschen zusammenkommen, wird geplaudert. Wir versuchen, Themen zu finden, die den Patienten interessieren, worüber er etwas wissen, über die er etwas mitteilen kann und will. Wir sprechen zum Beispiel über das Wetter, politische und sportliche Ereignisse, die neueste Mode, Autos und Handarbeiten, Lieblingsgerichte und Rezepte, Freizeitgestaltung und Freunde, Berufsausbildung und Arbeitslosigkeit, Traditionen in der Familie und der Heimat oder die neuesten lokalen Nachrichten aus der Zeitung. Bei der Konversation machen wir uns den Patientinnen und Patienten kenntlich, indem wir unsere Ansichten äußern und mitdiskutieren.

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