Die Kunst der Selbstachtung

Die Kunst der Selbstachtung

von: Christophe André, Francois Lelord

Aufbau Verlag, 2015

ISBN: 9783841209788

Sprache: Deutsch

335 Seiten, Download: 5793 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mehr zum Inhalt

Die Kunst der Selbstachtung



Kapitel I
Die drei Grundpfeiler der Selbstachtung


»Du steckst voller Geheimnisse, die du Ich nennst.«

Paul Valéry

Machen Sie einmal einen Test in Ihrer Familie, mit Freunden oder Kollegen: Bringen Sie das Thema Selbstwertgefühl oder Selbstachtung zur Sprache; Sie werden bei Ihren Gesprächspartnern sofort Interesse ausmachen, ganz so, als ginge es um einen wichtigen Begriff, der sie persönlich betrifft. Bitten Sie jedoch um eine möglichst genaue Definition dieses Begriffs, werden sie in den meisten Fällen nicht dazu imstande sein … Die Selbstachtung, eine der grundlegenden Komponenten unserer Persönlichkeit, ist nämlich ein unauffälliges, vielschichtiges und schwer greifbares Phänomen, dessen wir uns nicht immer bewußt sind.

Das Konzept der Selbstachtung nimmt in der Vorstellungswelt der westlichen Hemisphäre einen wichtigen Platz ein, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo das Wort self-esteem zum Alltagswortschatz gehört. In anderen Ländern hat man lange Zeit Begriffe bevorzugt, die von einer affektiveren und eher nebulösen Sicht auf die Beziehung zum eigenen Ich zeugen. Mit den Ausdrücken self-esteem oder Selbstachtung soll eine größere Objektivität erreicht werden. Das Wort esteem geht nämlich auf das lateinische Verb aestimare (einschätzen) zurück, das eine zweifache Bedeutung hat: einerseits »den Wert von etwas bestimmen«, andererseits aber auch »eine Meinung über etwas haben«. Die beste Zusammenfassung des Konzepts »Selbstachtung«, die wir bisher finden konnten, hat uns ein Jugendlicher geliefert: »Selbstachtung? Na ja, das ist, wie man sich sieht, und ob man das, was man da sieht, mag oder nicht mag.«

Diese beurteilende Sicht auf die eigene Person ist ausschlaggebend für unser psychisches Gleichgewicht. Fällt sie positiv aus, erlaubt sie einem, wirkungsvoll zu handeln, sich in seiner Haut wohl zu fühlen und den Schwierigkeiten des Daseins die Stirn zu bieten. Wenn die Sicht aber negativ ist, löst sie vielerlei Leiden und Unbehaglichkeiten aus. Es ist also kein unnützes Unterfangen, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt, um die eigene Selbstachtung besser analysieren zu können; es ist sogar eine der gewinnbringendsten Anstrengungen, die man sich denken kann.

Selbstachtung – welche Fragen man sich stellen sollte

Machen Sie sich eine Weile Gedanken über die folgenden drei Fragenkomplexe. Jede Ihrer Antworten wird nützliche Auskünfte über Ihr Selbstwertgefühl liefern.

  • Wer bin ich? Wo liegen meine Stärken, wo meine Schwächen? Wozu bin ich fähig? Welche Erfolge habe ich gehabt, welche Mißerfolge mußte ich einstecken? Welches sind meine Kompetenzen und meine Grenzen? Welchen Wert habe ich in meinen eigenen Augen, in den Augen meiner Nächsten und in den Augen der Personen, die mich kennen?
  • Sehe ich mich als eine Person, welche die Sympathie, Zuneigung und Liebe der anderen verdient, oder zweifle ich im Gegenteil häufig an meiner Fähigkeit, bei den anderen Wertschätzung und Liebe zu finden? Läuft mein Leben so, wie ich es mir wünsche? Stehen meine Handlungen in Einklang mit meinen Wünschen und Überzeugungen, oder leide ich im Gegenteil an der großen Kluft zwischen dem, was ich gern sein möchte, und dem, was ich wirklich bin? Bin ich mit mir selbst im Frieden, oder plagt mich oft Unzufriedenheit?
  • Wann war ich das letzte Mal enttäuscht von mir selbst, unzufrieden, traurig? Wann war ich stolz auf mich, zufrieden und glücklich?

Vertrauen in sich selbst setzen, selbstsicher sein, mit sich zufrieden … In der Alltagssprache gibt es eine lange Reihe von Ausdrücken, um die Selbstachtung zu bezeichnen, und jeder von ihnen bezieht sich auf einen ihrer vielen Aspekte.

Begriff Beschreibung Leistung dieses Konzepts
Selbstvertrauen haben Man glaubt an seine Befähigung, effizient zu handeln (innerliches Vorwegnehmen der Aktion). Es unterstreicht, wie wichtig die Beziehungen zwischen unserem Handeln und unserer Selbstachtung sind.
Mit sich zufrieden sein Man ist mit seinem Handeln zufrieden (nachträgliche Bewertung der Aktion). Ohne Selbstachtung werden nicht einmal Erfolge als solche erlebt.
Selbstsicher sein Man trifft Entscheidungen und läßt sich nicht so schnell von ihnen abbringen. Es erinnert daran, daß eine gut entwickelte Selbstachtung im allgemeinen damit verbunden ist, daß man beständige Entscheidungen trifft.
Selbstbewußt sein Man zweifelt nicht an seinen Befähigungen und Stärken, egal wie die Umstände auch aussehen mögen. Dank einer gut entwickelten Selbstachtung kann man immer und überall der eigenen Persönlichkeit Ausdruck verleihen.
Sich selbst mögen Man sieht sich mit Wohlwollen und ist zufrieden mit sich selbst. Das Konzept verweist auf die affektive Komponente der Selbstachtung.
Eigenliebe Man hat eine (zu) hohe Auffassung von der eigenen Würde. Unsere Selbstachtung leidet ganz besonders, wenn wir kritisiert werden.
Selbsterkenntnis Man kann die eigene Person präzise beschreiben und analysieren. Um sich selbst achten zu können, muß man erst einmal wissen, wer man ist.
Selbstbehauptung Man kann seine Ansichten und Interessen den anderen gegenüber verteidigen. Die Selbstachtung macht es manchmal erforderlich, das eigene Territorium zu sichern.
Selbstbejahung Unter Berücksichtigung seiner Stärken wie seiner Schwächen zeichnet man ein alles in allem positives (oder wenigstens annehmbares) Bild von der eigenen Person. Fehler und Mängel sind kein Hindernis für eine gut entwickelte Selbstachtung.
An sich glauben Man übersteht Durststrecken, in denen es weder Erfolge noch Ermutigungen gibt, aus denen sich die Selbstachtung nähren könnte. Manchmal wird Selbstachtung nicht durch Erfolge aufrechterhalten, sondern durch innere Überzeugungen und eine bestimmte Sicht auf die eigene Person.
Eine hohe Meinung von sich haben Man ist überzeugt, hochgesteckte Ziele verwirklichen zu können. Ehrgeiz und Selbstachtung sind oft eng miteinander verknüpft.
Stolz auf sich sein Durch einen Erfolg wächst das Selbstwertgefühl. Um die Selbstachtung zu nähren, braucht man Erfolge.

Alltägliche Erscheinungsbilder der Selbstachtung

Im Grunde setzt sich die Selbstachtung aus drei »Zutaten« zusammen: dem Selbstvertrauen, der Sicht aufs eigene Ich und der Selbstliebe. Die richtige Dosierung dieser drei Komponenten ist unerläßlich, wenn man zu einer harmonischen Selbstachtung gelangen möchte.

Die Selbstliebe: Können Sie sich leiden?


Dieses Element ist das allerwichtigste. Wenn man sich mag, dann ohne Bedingungen und Einschränkungen, trotz aller Mängel und Grenzen, aller Fehlschläge und Widrigkeiten, ganz einfach, weil eine stetige innere Stimme einem sagt, daß man Liebe und Respekt verdiene. Diese »unbedingte« Selbstliebe hängt nicht von unseren Leistungen ab. Sie erklärt, weshalb wir unter ungünstigen Umständen durchhalten und uns nach einem Mißerfolg wieder aufrichten können. Treten Schwierigkeiten auf, bewahrt sie uns zwar nicht vor Leiden und Selbstzweifeln, aber sie schützt uns vor Hoffnungslosigkeit.

Heute weiß man, daß diese Selbstliebe zum großen Teil von der Liebe abhängt, die uns als Kind in der Familie zuteil geworden ist, und von der »Gefühlsnahrung«1, die uns damals gespendet wurde. Xavier (42), Handwerker, erläutert uns das: »Am meisten bin ich meinen Eltern dafür dankbar, daß sie mir immer den Eindruck vermittelt haben, daß ich etwas tauge. Selbst wenn ich sie enttäuscht hatte – in meinen Jugendjahren, als ich den Schulabschluß völlig vermasselte und ein paar Dummheiten anstellte –, nun, selbst dann habe ich immer gespürt, daß sie mir ihre Liebe nicht entzogen und daß sie überzeugt waren, ich würde aus meinem Leben noch etwas machen. Das hinderte sie nicht daran, mir dann und wann eine tüchtige Standpauke zu halten. Aber niemals haben sie versucht, mich spüren zu lassen, daß ich ein Taugenichts wäre.«

Defizite in der Selbstachtung, die ihre Ursache auf diesem Gebiet haben, sind wahrscheinlich am schwierigsten auszugleichen. Man begegnet ihnen in dem wieder, was die Psychiater »Persönlichkeitsstörungen« nennen, also bei Personen, die sich anderen Menschen gegenüber so verhalten, daß sich regelmäßig Konflikte oder Mißerfolge einstellen. So ergeht es zum Beispiel Isabelle (31), Grundschullehrerin:» Noch nie konnte ich jemanden finden, an dessen Seite ich mein Leben verbringen möchte. Sobald ein gewisses Maß an Intimität erreicht ist, fühle ich mich bedroht. Ich weiß nicht, wovor ich eigentlich Angst habe. Jedenfalls nicht davor, meine Freiheit zu verlieren, denn ich fange mit ihr sowieso nichts an. Weil ich mich selbst nicht mag, scheint es mir unmöglich, daß ein anderer mich lieben könnte. Habe ich einen Freund,...

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