How To Be Irish - Ein Anthropologe packt aus

How To Be Irish - Ein Anthropologe packt aus

von: David Slattery

btb, 2015

ISBN: 9783641154349

Sprache: Deutsch

320 Seiten, Download: 1087 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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How To Be Irish - Ein Anthropologe packt aus



Vorwort

Dieses Buch ist eine volkskundliche Anleitung zum Irischsein. Sie können ja nicht ahnen, in welchem Notfall Sie dieses Wissen vielleicht noch einmal brauchen werden. Falls Sie dumm genug sind, wirklich eine oder einer von uns sein zu wollen, oder Sie schon so lange im Ausland leben, dass Sie vergessen haben, wie das geht, wenn Sie Ferien bei uns planen, oder wenn Sie sich bei uns schon wie zu Hause fühlen und einfach neugierig sind, werden Sie dieses Buch möglicherweise nützlich oder vielleicht sogar lebensrettend finden.

Die Aufgabe des Volkskundlers ist es, Kuriositäten im Verhalten bloßzulegen. Dazu nimmt er die sozialen und kulturellen Merkmale der Verhaltensweisen unter die Lupe, die uns allen gemeinsam sind. Ganz allgemein interessiert mich mehr, was wir sagen und tun, als was wir zu sagen und zu tun glauben (oder gar was wir gern sagen und tun würden), aber nicht tun. Und ich interessiere mich auch dafür, was wir zu denken behaupten, ohne dass dies tatsächlich der Wahrheit entspräche.

Natürlich kommt eine Studie über irisches Verhalten nicht ohne ein Themengebiet aus. Ich habe mir die Aspekte des Lebens in Irland vorgenommen, die mich stolz machen, Ire zu sein, die Dinge, die uns anders machen, und die Dinge, die uns bisweilen aufstöhnen lassen.

Viele Besucher unseres Landes glauben, wir sprächen Englisch. Einige verbringen Jahre hier, bis ihnen endlich aufgeht, dass das nicht der Fall ist. In diesem Buch werden Sie etliche Beispiele für das Hiberno-Englische finden – das ist die Sprache, die wir sprechen und die dem Englischen verwirrend ähnlich, aber doch ganz anders ist. Diese Sprachvariante, die niemals konsequent ins Englische übersetzt worden ist, macht es Fremden schwer, uns zu verstehen, und noch schwerer, einer oder eine von uns zu werden.

Hiberno-Englisch unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht deutlich vom Englischen. Zum einen erlaubt es uns, etwas zu sagen und etwas ganz anderes zu meinen. Diese linguistische Eigenheit lässt uns vor Dritten vielleicht bisweilen als Heuchler erscheinen, in erster Linie verkörpert sie aber die unserem Volk von Natur aus eigene Ironie. Wir stellen uns sprachlich nicht bloß, denn im Grunde wollen wir gar nicht, dass andere etwas über uns erfahren – und Dritte schon gar nicht. Unsere hiberno-englische Sprachvariante gestattet es uns hier perfekt, in einem Meer aus Mehrdeutigkeit zu sprechen, was ganz im Sinne unseres Volkes ist und unsere Ziele und Absichten perfekt darlegt. Zweitens erlaubt das Hiberno-Englische es uns, so zu tun, als ließen wir uns durchaus von der englisch geprägten globalen Kultur beeinflussen. Ja, es hilft uns sogar, der Außenwelt weitgehend aus dem Weg zu gehen. Mit seiner Hilfe können wir nämlich urban erscheinen und dabei dennoch unseren Traditionen verhaftet bleiben. Drittens ist Hiberno-Englisch eng mit der irischen Sprache verwandt. Wie das Irische ist es eine pathetische Sprache, die vor Übertreibungen, Schuldgefühlen und – vielleicht vor allen Dingen – romantisiertem Gejammer nur so strotzt. Wenn wir in der Schule Peig1 auf Irisch lesen müssen, lernen wir, uns auf zwei Sprachen im Elend zu suhlen.

Ich versuche hier durchaus nicht bewusst, zu unserem umfangreichen Kanon des Elends und Selbstbemitleidens beizutragen, aber ich ertappe mich doch oft in dieser Stimmung, weil sie eben einfach Spaß macht.

Im Grunde ist es unmöglich, das Irischsein in einem einzigen Buch zu definieren. Spaßeshalber habe ich ein Mädchen von acht Jahren gefragt, was Irischsein für sie bedeutet. Bezeichnenderweise trug sie eine überdimensionale Perücke mit traditionell verwuschelten roten Locken und ein mit einer Milliarde von Pailletten dekoriertes Stepptanzkostüm. Auf meine Frage antwortete sie ohne Zögern, Irischsein sei »Kuchen, Kekse und Grün«. Nun gut, das würden vielleicht nicht alle so sehen, aber für den Moment war es eine vollkommen akzeptable Antwort. Nur wenige Achtjährige wissen, dass unsere Nationalfarbe Blau ist – und was spielt das schon für eine Rolle? Grün ist auch hübsch. Um ein demografisches Gleichgewicht zu erlangen, richtete ich dieselbe Frage an eine ältere Frau mit einer nicht weniger hervorstechenden roten Perücke. Sie entgegnete: »Heilige und Gelehrte und Tayto-Kartoffelchips – und … oh, Cadbury-Schokolade.« Ich will gar nicht erst versuchen, hier selbst eine Definition des Irischseins zu liefern, dieser Antwort jedoch würde ich allzu gern noch Denny-Würstchen, Barry-Tee, Kerrygold-Butter, gebratene Blutwurst Marke Clonakilty und Kimberley- und Mikadokekse anfügen, um so wenigstens die ernährungstechnische Definition des Irischseins vorerst zu komplettieren. Vielleicht sind wir ja doch, was wir essen …

Wann immer ich meine Interviewpartner – in meiner Sparte Gewährsleute genannt, dazu später mehr – um Hilfe dabei bat, Licht in die Geheimnisse irischen Verhaltens und Brauchtums zu bringen, nannten mir die meisten als Erstes die Dinge, die ihrer Vorstellung nach sofort geschehen müssten, um dieses Land zu retten. Ich finde es interessant, dass so viele von uns ein unmittelbares Bedürfnis danach verspüren, uns zu verbessern oder zu erziehen. Mir selbst läge nichts ferner, denn ich sehe mich gar nicht in der Lage dazu, festzulegen, was mit uns nicht in Ordnung sein und wie diesen Tatsachen Abhilfe geschaffen werden könnte. Ohnehin ist allgemein bekannt, dass Sie von einem Volkskundler keine Problemlösungen erwarten können. Im Grunde können Sie nicht einmal das Problem erwarten, denn in der Volkskunde geht es vor allem darum, Verhalten zu beschreiben und zu erklären, und nicht darum, es zu beurteilen. Dafür huldigt mein Fach dem Verhalten dann aber auch wirklich in all seinen Erscheinungsformen. Wobei ich einmal mehr betonen möchte, dass es meine Aufgabe ist, uns so zu beschreiben, wie wir sind, und nicht so, wie wir sein sollten. Die Aufgabe, uns zu retten, überlasse ich dann doch lieber einer höheren Instanz.

Volkskunde ist die Kunst, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Zu diesem Zweck wurden etliche Techniken entwickelt. Wir greifen zu den sogenannten qualitativen Methoden, was bedeutet, wir werden alle Arten von Daten heranziehen, nur keine Statistiken, denn wir sind keine schamlosen Lügner. Obwohl viele Volkskundler nicht sämtliche Forschungsregister ziehen würden, gehören zu unseren Methoden neben den grundlegenden (die teilnehmende Beobachtung) auch die folgenden mitunter nicht total salonfähigen: Nachahmung, Bewerbung, Stalking, Geflunker, Fantasie, das Ersinnen von Material, um Lücken zu füllen, Betteln sowie Übertreiben. Unterschiedliche Methoden führen zu unterschiedlichen Ergebnissen, und meine volkskundliche Herangehensweise besteht darin, so viele Techniken zu verwenden wie nur möglich, um die Komplexität und den Reichtum der irischen Kultur vorzuführen. Ich habe gebettelt, spioniert, herumgelungert, an den abwegigsten Versammlungen teilgenommen, mein Haus abgerissen, mich um diverse Tätigkeiten beworben, Beerdigungen und Hochzeiten beigewohnt, bin in eine politische Partei eingetreten und habe in vielen Kneipen getrunken – und das alles im Dienste der Wissenschaft.

Volkskundler sind, wie Detektive, auf die Menschen angewiesen, die wir in beiden Branchen Gewährsleute nennen. Für gewöhnlich vertrauen wir Volkskundler unseren Gewährsleuten aus professionellem Respekt vor ihrer Mithilfe, was bedeutet, dass wir in der Regel alles glauben, was sie uns erzählen. Es gehört nicht zum volkskundlichen guten Ton, unsere Gewährsleute ins Kreuzverhör zu nehmen und zu fragen: »Ist das wirklich passiert?«, denn eine solche Frage könnte unser Gegenüber vor den Kopf stoßen, und die goldene Regel der Feldforschung besagt, niemals jemanden zu kränken – unsere Profession ist nämlich der Leuchtturm des guten Benimms. In diesem Buch erzähle ich Ihnen deshalb alles genau so, wie ich es von meinen vielen hilfsbereiten Quellen erfahren habe. Persönlich hege ich im Übrigen den Verdacht, dass die Dinge, die mir in der Kneipe erzählt wurden, einen besonders hohen Wahrheitsgehalt aufweisen.

Wenn es um irische Familien geht, ist professionelle Hilfe unabdingbar, deshalb habe ich einen Psychiater konsultiert. Überhaupt empfiehlt es sich in Irland immer, einen Psychiater an der Hand zu haben. Wie die meisten Berichterstatter weist er die Schuld an jeglichen Übeln der irischen Mama zu. Ein Großteil der zeitgenössischen Psychiatrie basiert auf den Theorien von Sigmund Freud, dem österreichischen Vater der Psychoanalyse. Nun mag es ja sein, dass in Österreich die Mamas die Wurzel allen Übels sind, darüber weiß ich nichts. Aber es ist keinesfalls fair, den irischen Mamas alle Schuld zuzuschreiben, wo doch ihr einziges erkennbares Vergehen darin besteht, dass sie ihre Söhne ein klein wenig zu sehr lieben. Danke, Mama!

Ich bin meinen Gewährsleuten sehr dankbar für ihre Bemühungen, daher möchte ich mich an dieser Stelle in aller Öffentlichkeit bei ihnen bedanken. In meinem Fach geziemt es sich, die Namen der entsprechenden Personen zu ändern, um ihre Anonymität zu wahren. Leider ergibt sich daraus der Nachteil, dass es nicht mehr so leicht für mich ist, allen gebührend zu danken. Deshalb möchte ich das hier noch einmal in aller Deutlichkeit tun. Die nun folgenden Personen sind vielleicht mit ihrem wirklichen Namen aufgeführt, vielleicht aber auch nicht. Unter Umständen kann die Ähnlichkeit mit real lebenden Personen auch Zufall sein.

Ich bin denen dankbar, die rechtzeitig ihr Leben ausgehaucht haben, um mir die Möglichkeit zu geben, an ihren Beerdigungen teilzunehmen, außerdem danke ich ihren Angehörigen sowie...

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