Suchtprobleme hinter Mauern. Drogen, Sucht und Therapie im Straf- und Maßregelvollzug

Suchtprobleme hinter Mauern. Drogen, Sucht und Therapie im Straf- und Maßregelvollzug

von: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V./Raphael Gaßmann (Hrsg.)

Lambertus Verlag, 2002

ISBN: 9783784114019

Sprache: Deutsch

195 Seiten, Download: 989 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Suchtprobleme hinter Mauern. Drogen, Sucht und Therapie im Straf- und Maßregelvollzug



Bedingungen der strafrechtlichen Praxis in stationären Einrichtungen (S. 35-36)

Arthur Kreuzer

1. JUSTIZIELLE ZUWEISUNGEN DROGENABHÄNGIGER ZU HAFT, MASSREGELVOLLZUG UND NICHT-JUSTIZIELLEN THERAPIEEINRICHTUNGEN

1.1 Dilemmata der Verbindung von Strafe, Maßregel und Therapie im Drogenbereich

Wir leben mit einer Reihe von Widersprüchen in unserer Strafrechts- und Drogenpolitik. Ihrer sollten wir uns zumindest bewusst sein, wenn wir Entscheidungen über Strafe und Therapie bei Drogenabhängigen treffen. Ein Dilemma besteht bereits in der gesetzlichen Ausgangslage, zwischen legalen und illegalen Drogen zu unterscheiden. Abhängigkeit von legalen Drogen führt nur sehr begrenzt zu Strafe und Haft. Bei illegalen Drogen ist dies der Regelfall. Denn die flächendeckende, bereits das Vorfeld von Drogenkonsum und -abhängigkeit einbeziehende Kriminalisierung setzt Drogenumgang und Kriminalität gleich.

Bei Alkohol führt erst die Beeinflussung in Richtung strafbarer Handlungen zu strafjustiziellen Maßnahmen. Ähnlich verhält es sich mit dem Dilemma, dass selbstgefährdendes Verhalten sonst in einer liberalen Strafrechtsordnung nicht kriminalisiert wird, ausnahmsweise aber doch, wenn es sich um Konsum und Abhängigkeit von verbotenen Drogen handelt. Um solchen Bedenken gegenüber einem einseitig ausufernden Strafrecht gerecht zu werden, ermöglicht das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) über das Strafgesetzbuch (StGB) hinausgehende reichhaltige Angebote an justizielle Entscheidungsträger, Strafe mit Therapie zu verbinden.

Das wiederum begründet ein weiteres Dilemma: Solche Therapieüberleitungen – insbesondere nach §§ 35 ff BtMG auch noch im Strafvollstreckungsverfahren – bieten sich nur denen, die auch von illegalen Drogen abhängig sind, jedoch beispielsweise nicht den alkoholkranken Straftätern. Längst hätte der Gesetzgeber für alkohol- oder psychisch kranke Straftäter solche Durchlässigkeit zu externer Therapie oder wenigstens zum Maßregelvollzug eröffnen sollen. Ein weiteres Dilemma wirkt sich auf viele Formen strafender und behandelnder Reaktionen und Einstellungen beteiligter Institutionen gegenüber Ansätzen von „Harm Reduction" aus: Trotz prinzipieller Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen werden gelegentlich an sich illegale Drogen legal therapeutisch eingesetzt, um von illegalen Drogen Abhängigen zu helfen, etwa Methadon und Heroin.

Drogenabhängige können diese – nunmehr im Gewande der Arznei und Verschreibung – abgegebenen Drogen aber auch im illegalen Markt besorgen und sich illegal vom Arzt verschaffen lassen. Dies Dilemma spielt u.a. bei der toxikologischen Untersuchung der von Drogenabhängigen genommenen Seren eine Rolle. Auf wieder ein anderes Dilemma hat Kühne hingewiesen:

Das Konzept der Zweispurigkeit unseres Strafrechts – Strafen für schuldhaft begangenes Unrecht, Maßregeln der Behandlung für schuldlos begangenes Unrecht – werde „letztlich bei abhängigen BtM-Tätern aufgegeben. Die flankierende klinische Intervention wird recht eigentlich zum zentralen, weil allein sinnhaften staatlichen Reagieren." Das geschieht eklatant innerhalb des StGB, wenn die Unterbringung alkohol- und drogenkranker Straftäter nach § 64 in einer Entziehungsanstalt vorrangig angeordnet wird sogar bei voller Schuldfähigkeit. Es wird verstärkt durch die Therapieüberleitungen aus dem Strafverfahren und Strafvollzug nach §§ 35 ff BtMG. Nach Kühne schleicht sich das Strafrecht aus seinem eigenen, aber dysfunktionalen Ansatz heraus.

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