Die beste aller Zeiten ist jetzt! - Gegenwart bewusst erleben

Die beste aller Zeiten ist jetzt! - Gegenwart bewusst erleben

von: Ang Lee Seifert, Theodor Seifert

Hogrefe AG, 2013

ISBN: 9783456953120

Sprache: Deutsch

264 Seiten, Download: 1767 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Die beste aller Zeiten ist jetzt! - Gegenwart bewusst erleben



Wie sah es davor aus? Krieg zwischen 1914 und 1918, Arbeitslosigkeit, Inflation, Angst, Hunger, Verzweiflung und dann ab 1933 die Nazi-Grausamkeiten und das Unfassbare des Holocaust.

Und davor? Um 1900 in Standesklassen eingezwängte starre Gesellschaften, absolute Hierarchien, Trennung der «Herrschaften» und der «Dienstboten». Langeweile auf der einen Seite, schuften bis zum Umfallen und ausgebeutet werden auf der anderen. Was war damals gut?

Und noch früher? Der 30-jährige Krieg? Der Schmutz und Gestank in Dörfern und Städten, die Kälte in den Burgen und Schlössern, Mäuse, Ratten, Schwindsucht, Pest. Viele Frauen starben an Kindbettfieber, die Säuglingssterblichkeit war hoch, unansehnliche Menschen mit Ausschlägen und eitrigen Ekzemen, durch Kinderlähmung verkrüppelte Gestalten bevölkerten die Straßen. Es war die Zeit der religiösen Fanatiker, der unbarmherzigen Inquisition mit grausamen Verfolgungen und Folterungen. Viele unschuldige Frauen und Männer kamen elendiglich in dunklen Kellerlöchern eingesperrt ums Leben, viele brannten auf den Scheiterhaufen, die landauf, landab loderten. War das gut?

Kriege, Kriege, Kriege, Unterdrückung, Dreck, Hunger, Gestank, Krankheiten – wann gab es denn die «gute alte Zeit»?

Wären Sie gerne wie Goethe in der Postkutsche nach Italien oder wie Mozart nach Prag gereist? Es klingt romantisch, war aber, im Vergleich zu Reisemöglichkeiten heute auf modernen Autobahnen oder in den eleganten ICEs, äußerst unbequem und langwierig. Auch hier wieder ganz zu schweigen von den üblen Gerüchen. Was also ist auszusetzen an der heutigen Zeit? Natürlich vieles, weil Menschen immer vieles auszusetzen haben. Das gehört zu ihrer Grundausstattung, zur Fähigkeit, sich zu widersetzen und Kritik zu üben. Sie dient ja letztlich der Selbstoptimierung und Weiterentwicklung menschlicher Errungenschaften. Wir werden auf die sogenannten Zeit-Erkrankungen in Kapitel 3 eingehen und untersuchen, wie sich ihre innere Dynamik, das seelische Erleben, deren Ausdruck sie sind, verhält.

Die Geschichte vom Ringelschwanz

«Zu der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat ...» – so beginnen viele Märchen und im folgenden heißt es: «... lebte ein armer Mann, dessen sehnlichster Wunsch war, er möge doch reich werden. Er ging zu einem alten Weisen und bat ihn, ihm das Geheimnis zu verraten, wie er reich werden könne. Der Weise antwortete etwas reserviert: ‹Ich könnte dir das magische Wort verraten, mit dem deine Wünsche erfüllt würden, doch das ist auch gefährlich, die wunscherfüllenden Geister sind unmäßig, sie werden dich vernichten, wenn du ihnen nichts mehr zu tun gibst.› Dem armen Mann war das egal und auf sein wiederholtes Bitten gab ihm der Alte das magische Wort.

Der Mann ging hochbeglückt in einen Wald, damit nicht aus Versehen ein anderer Mensch ihn belauschen und auch reich werden könnte, und sprach das magische Wort. Sofort erschien ein Geist und fragte, was er tun solle. ‹Bringe mir so viel Geld, dass ich mein Leben lang reich bin.› ‹Hier ist es schon›, sagte der Geist und wies auf Kästen voller Gold, die plötzlich mitten im Wald standen. ‹Was soll ich jetzt tun?›, begehrte der Geist. ‹Baue mir einen Palast›, antwortete der nun reiche Mann. ‹Hier steht er schon›, sagte der Geist und der Mann sah sich in einem riesigen Palast sitzen. ‹Und jetzt?›, fragte der Geist bedrohlich. ‹Baue mir eine Stadt›. ‹Hier ist sie schon – und jetzt?› Dem jetzt superreichen Mann fiel nichts mehr ein, denn er hatte alles, was er sich wünschte. ‹Wenn du nicht auf der Stelle einen weiteren Wunsch äußerst›, schrie der Geist, ‹fresse ich dich!› Der arme reiche Mann beauftragte den Geist mit den unsinnigsten Wünschen, die ihm noch einfielen. Aber schon nach kurzer Zeit wusste er absolut nichts mehr, worum er den Geist noch bitten könnte. Schweißgebadet, von Angst geschüttelt, rannte er zu dem alten Weisen und bat diesen inständig, ihn von dem gefräßigen Geist zu befreien. Der Alte hatte Mitleid mit dem armen reichen Mann und riet ihm: ‹Siehst du das Schwein dort?

Nimm schnell dein Schwert und haue dem Schwein den Schwanz ab. Diesen gib dem Geist mit der Aufgabe, ihn glatt zu streichen.›

Dankbar tat der arme reiche Mann wie ihm geheißen, er schnitt dem Schwein den Schwanz ab und gab diesen dem Geist mit dem Befehl: ‹Glätte den Schwanz›. Doch so sehr der Geist sich bemühte, den Schweineringelschwanz zu glätten, es gelang ihm nicht, der Schwanz ringelte sich immer wieder zusammen. Entnervt gab der Geist schließlich auf und sagte: ‹Ich kann diese Aufgabe nicht erfüllen. Nimm den Schwanz und lass mich in Ruhe. Ich werde dich nicht töten und du darfst alles behalten, was ich dir geschenkt habe.› Glücklich über seine Erlösung stimmte der Mann zu. Der Geist verschwand und ward nie wieder gesehen.»

Diese Geschichte ist sehr alt. Sie stammt aus dem Vedanta, einer Richtung in der indischen Philosophie, in der es im Wesentlichen darum geht, Menschen zu belehren, dass die individuelle Seele nur ein Teil bzw. Abbild der Weltseele ist. Wenn wir das erkennen, heißt es dort, können wir den wahren Sinn des Menschseins erfassen und hören auf, den falschen Werten, wie materiellem Reichtum, nachzujagen.

Die Geister, die ich rief

Doch wir brauchen gar nicht ins ferne Indien zu gehen, um zu dieser Weisheit zu gelangen. Schon unser Dichter Johann Wolfgang Goethe ließ seinen Zauberlehrling erkennen: «Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.» Wir haben sie gerufen, die «gefräßigen Geister» der Zeit, und sie produzieren und produzieren, auf «Teufel komm raus», Neues und Neues, das uns das Leben erleichtern soll, das uns aber immer mehr beschäftigt. Wenn wir die innere Logik eines…

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