Die türkische Mätresse - Historischer Roman-Bestseller über Leben, Liebe und Intrigen am Königshof im barocken Dresden

Die türkische Mätresse - Historischer Roman-Bestseller über Leben, Liebe und Intrigen am Königshof im barocken Dresden

von: Ralf Günther

Refinery, 2016

ISBN: 9783960480549

Sprache: Deutsch

560 Seiten, Download: 3559 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die türkische Mätresse - Historischer Roman-Bestseller über Leben, Liebe und Intrigen am Königshof im barocken Dresden



Dresden und Moritzburg
im September 1695


Nachdem der Hofmarschall die Namen und Titel der Maria Aurora Gräfin von Königsmarck in den Audienzsaal des Dresdner Schlosses gerufen hatte, verstummte jedes Gespräch, die Musik erstarb. Im nächsten Moment schlugen die Türflügel auf, um dem kleinen Zug geordneten Eintritt zu gewähren. An der Spitze schritt eine Dame mittlerer Größe, in der jeder im Saal die Schwedin erkannte. Ihr Gesicht lag unter einem schwarzen Schleier, ihr Kleid war von schwarzem Samt. Gemessen wie eine Schicksalsgöttin trat sie in den Saal, man konnte das Schleifen ihrer Schleppe hören. Ihr folgten etliche Jungfern und Damen, auch sie in Schwarz. Es war ein Defilee für den verstorbenen Bruder, der von Unbekannten gemeuchelt war. Doch jeder, der wissen wollte, wusste, dass Ernst August von Braunschweig-Lüneburg, Herzog aus dem Geschlecht der Welfen, hinter dem Mord steckte. August hatte nicht vermocht, seinen General und Freund Philipp von Königsmarck zu schützen. Jeder im Saal erkannte in dem Trauerzug auch eine Anklage.

August trat in das Oval, das die Hofgesellschaft um das Gefolge der schwarzen Gräfin gebildet hatte. Als Aurora ihn sah, blieb sie wie versteinert stehen. Nun erst fiel auf, dass August ein violettes Gewand angelegt hatte – die Trauerfarbe der Fürsten. Violett und Schwarz, die Farben harmonierten auf wunderbare Weise. Aurora wagte nicht, den Schleier zu lüften.

»Ein Jahr ist vergangen«, sprach August sie an. »Es wird Zeit, die Tränen zu trocknen.«

Aurora rührte sich nicht. Ihre Lippen bewegten sich in einem Gesicht von Stein. »Das Geschlecht derer von Königsmarck ist beinahe ausgelöscht. Ich werde für den Rest meines Lebens um Philipp und den guten Namen meiner Familie trauern.« Dann hob sie den Blick und sah ihn geradeheraus an: »Um wen trauert Ihr?«

August blieb die Antwort schuldig. Stattdessen bemerkte er: »Ihr Bruder, Madame, war ein Wanderstern – ein Wanderstern der Liebe. Früher oder später musste er in Amors Feuerkreis verglühen.«

Für einen Moment schien es, als wollte sie in sich zusammensinken. Raunen im Saal. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. »Vor einem Jahr, als ich Euch um einen … Gefallen bat, da«, ihre Stimme stockte, »da wusstet Ihr es bereits?«

Erneut blieb August die Antwort schuldig. Er sagte: »Ich habe beschlossen, das Geschlecht derer von Königsmarck zu erhöhen und den Fortbestand zu sichern, indem ich Euch, Madame, zu meiner Braut annehme.« August hatte die Worte im Stile einer Verlautbarung gesprochen, allerdings so leise, dass nur Aurora und ihr Gefolge sie hören konnten.

Auroras ganzer Leib wurde von einem Zittern erschüttert. Sie benötigte lange, um eine Entgegnung zu formulieren. »Wie mir zu Ohren kam, sind Ihro kurfürstliche Durchlaucht bereits vor dem Gesetz und vor Gott vermählt!«

August machte einen Schritt auf Aurora zu und suchte in den Falten ihres Kleides nach ihrer Hand. Als er sie ertastet hatte, zog er sie zu sich heran. Er befleißigte sich eines ebenso koketten wie empörten Tonfalls: »Ein Jahr habt Ihr mich warten lassen, durchlauchtigste Gräfin!«

Erst jetzt löste sich Aurora aus ihrer Erstarrung. Sie trat schnell auf ihn zu. »Ich wusste doch nicht, dass Ihr mich erwartet!«

August hob die Augenbrauen. »Nun wisst Ihr es. Nehmt Ihr mich zum Bräutigam an? Es soll dem Geschlecht derer von Königsmarck nicht zum Schaden gereichen.«

»Ist denn in Sachsen die Vielweiberei eingeführt?«, fragte sie, nun wieder im Vollbesitz ihrer Geistesgegenwart.

August verzog keine Miene. »Meine verehrte, teure Gräfin, ich kann Euch nicht als meine Braut heiraten. Diese Position ist in der Tat schon besetzt, mehr schlecht als recht, wenn Ihr mich fragt. Aber ich kann Euch zur Maîtresse en titre annehmen. Zur hochfürstlichen Geliebten mit allen Ehren und Würden.«

Aurora schwieg, denn sie wusste keine Antwort. August zog sie mit der einen Hand heran, mit der anderen fuhr er unter den Gesichtsschleier und schlug ihn zurück. Im Wegfahren ließ er den Handrücken sachte über ihre Wange gleiten. Getuschel hob an.

»Weisen Sie mich nicht ein weiteres Mal zurück, Gräfin!« August flehte förmlich. »Im Gedenken an Ihren Bruder, mit dem ich tolldreiste Jungmännerabenteuer durchstanden habe: Werden Sie meine Braut zur linken Hand!«

Es war nicht Aurora, die antwortete. Etwas aus ihr heraus antwortete: »Nein.« Im nächsten Moment schon wollte sie »Ja!« schreien. Doch dann wiederholte sie, so laut, dass alle Umstehenden es hören konnten: »Nein.«

Abrupt kehrte sie dem sächsischen Fürsten den Rücken und verließ den Saal. Nach einem kurzen Moment der Verblüffung machte ihr Gefolge kehrt und trippelte hinterdrein. Dann erst schwoll das Geraune und Getuschel an wie das Summen eines Hornissenschwarms. Und wollte so bald nicht wieder abflauen.

Erst als Aurora vor den zuklappenden Türflügeln zusammensank, kam ihr zu Bewusstsein, dass August diese Demütigung kaum ungesühnt lassen konnte.

Doch sie hatte seinen Ehrgeiz unterschätzt, der erneute Korb stachelte ihn nur noch mehr an. Wenige Tage später erreichte Aurora ein gefaltetes Billet, in der eigenhändigen Schrift des sächsischen Kurfürsten:

Allerdurchlauchtigste Göttin der Morgenröte!

Einer Göttin gebührt der Olymp, und es ist ihr Recht, dass sie sich für gewöhnliche Sterbliche nicht von diesem herabbewegt. Nun trifft es sich, dass Diana, die Göttin der Jagd, unter uns Sterblichen weilt, der zu Ehren Wir ein weidmännisches Fest auf Unserem Moritzburger Forst auszurichten geruhen. Die Göttin der Jagd weigert sich, dem Geschehen ihr Wohlwollen zu erweisen, wenn nicht auch Sie, verehrte Madame und Göttin der Morgenröte, unter den Gästen weilen. Denn welche Jagd könnte ohne Aurorens Glanz zum Erfolg gelangen? Beehren Sie uns mit der Weihe Ihrer Anwesenheit, Madame, bittet untertänigst

Augustus – Dux Saxoniae

Wollte Aurora nicht endgültig alle Gunst des Sachsenfürsten verlieren, durfte sie auf dieses demütige, ja unterwürfige Billet keinen abschlägigen Bescheid geben. Also wies sie seufzend eine ihrer Kammerjungfern an, die Einladung anzunehmen.

Am Tag bevor das Jagdgeschehen anheben sollte, sandte der Kurfürst den besten seiner Hofschneider mit einem Paket. Fatima und alle Kammerjungfern scharten sich um den kleinen Herrn. Mit spitzen Fingern und großem Zinnober entfaltete der Schneider diverse Lagen Papier, um ein Gewand zu enthüllen, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Als er es mit einem Ruck aus der Schachtel zog, schien es einen Moment lang in der Luft zu schweben. Dann entfaltete es sich mit leisem Rascheln wie von selbst. Fatima und die Kammerjungfern schlugen die Hände vor den Mund. Es war aus hauchdünnem Stoff, doch durch mehrere, raffiniert übereinandergelegte Schichten blickdicht gemacht. Goldfäden, vom Zentrum des Busens ausgehend, symbolisierten die Strahlen der Sonne. Auf den Schultern saßen gestickte Löwenhäupter, die den Schutz der Göttin durch den sächsischen Herkules versinnbildlichten. Sobald der Schneider es hierhin und dorthin schwenkte, glitzerte es tausendfach: eine Unzahl kostbarer Diamanten, hingestreut wie Wassertropfen.

Fatima war wie geblendet, Auroras Miene reines Entzücken. Doch im nächsten Moment verfinsterten sich ihre Züge. »Welche Forderung«, sprach sie laut ihre Gedanken aus, »spricht aus einem solchen Geschenk?«

Die Ziehtochter nannte die Sache beim Namen: »Er wünscht, Sie zu seiner Mätresse zu machen, Mutter.«

»Nenne mich nicht so, Fatima! Es macht mich alt!« Ihre Augen schleuderten Blitze.

Doch Fatima wusste, dass der Zorn sich nicht gegen sie richtete, sondern gegen das Drängen des Fürsten.

»Bitte Madame, ziehen Sie es an«, flehte sie. Nach einem Zögern kam Aurora dem Wunsch nach. Sie verschwand mit der Jungfer hinter einem Paravent und trat nach einer Weile wieder hervor. Das Kleid war wie auf den Leib geschneidert. »Wie kann das sein?«, fragte Aurora den Schneider. »Ich habe Ihnen nie zur Anprobe gestanden?«

»Mit Verlaub, Seine kurfürstliche Durchlaucht«, sagte der Schneider, und in seiner Stimme schwang Ehrerbietung, »weiß mit den Augen maßzunehmen.«

Aurora musterte ihn verblüfft. Wie sich Fatima und die Kammerjungfern hinter ihrem Rücken Grimassen zuwarfen, sah sie nicht. Ohne dass man sie dazu hätte überreden müssen, waren sie Teil der weitläufigen Intrige geworden, die August gegen seine Angebetete geknüpft hatte.

Die Göttin der Morgenröte zeigte sich spendabel, indem sie Sonnenstrahlen wie aus einem Füllhorn über die Ebene goss. Keine Wolke trübte den Himmel, tiefes Blau wölbte sich über das Hochplateau, auf dem das Jagdschloss thronte, benannt nach dem ersten Kurfürsten aus der albertinischen Linie der Wettiner: Moritz.

Vor Sonnenaufgang hatten Aurora von Königsmarck, Fatima sowie die Damen Lewenhaupt und Steenbock in Dresden die Kutsche bestiegen. Nachdem der Friedewald hinter ihnen lag und vor ihnen die lange Allee, die das Jagdschloss mit dem Umland verband, wurde das Verdeck zurückgeklappt. Offen fuhren sie dahin, ließen den Wind mit den Falten ihrer Kleider spielen, bis sie in der Ferne die vier mächtigen Ecktürme erblickten. Sie spiegelten sich in dem See, der das Schloss wie ein silberner Gürtel umfasste. Aurora hieß den Kutscher anhalten, und die Damen standen auf, um den Anblick zu genießen. Ihre Blicke ruhten auf der Fassade, die im Angesicht der Sonne...

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