Zwei Zimmer, Küche, Geist - Ein Frauenroman voller Esprit, Witz und Einfühlungsvermögen

Zwei Zimmer, Küche, Geist - Ein Frauenroman voller Esprit, Witz und Einfühlungsvermögen

von: Lorna Graham

Refinery, 2016

ISBN: 9783960480532

Sprache: Deutsch

448 Seiten, Download: 1020 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Zwei Zimmer, Küche, Geist - Ein Frauenroman voller Esprit, Witz und Einfühlungsvermögen



Kapitel 2

Das Mädchen mit den dunklen Augen hinter dem Empfangstresen legte den Hörer auf. »Bitte nimm Platz«, sagte sie. »Es dauert ein paar Minuten.« Sie wandte sich wieder irgendeiner Liste zu, auf die sie mit einem Rotstift losging.

Eve nickte, schob sich die Haare hinter die Ohren und versuchte, wieder ruhiger zu atmen, nachdem sie die drei Blocks von der Subway hierhergerannt war. Hinter dem Empfang eilten geschäftige Angestellte vorbei oder hämmerten auf ihre Tastaturen ein, alle in schickes Schwarz und Selbstsicherheit gekleidet. Nach etwa vierzig Minuten trat eine Frau in den Wartebereich, die so schmal war, dass ihre großen blonden Locken sie aussehen ließen wie eine Pusteblume.

»Gehen wir«, sagte sie und winkte, wobei ihre Finger an ihre Handfläche schlugen. Eve sprang auf und folgte der Frau durch große Glastüren und ein Labyrinth von Arbeitswürfeln und Aktenschränken zu dem großen, verglasten Büro von Orla Knock, der Redaktionsleiterin. Das Deckenlicht war aus, nur der Computerbildschirm leuchtete schwach und dunkel auf der anderen Seite des Raumes. Die junge Frau setzte sich hinter einen überladenen Schreibtisch und wies Eve mit einem Nicken einen Stuhl zu.

»Also. Ich bin Tanya, Orla Knocks Assistentin. Leider musste Orla zu einem Termin, sie lässt sich entschuldigen.«

Eve war enttäuscht und erleichtert zugleich. Sie brauchte diesen Job zwar, aber ihre Nervosität begann sich in dem Augenblick, da sie begriff, dass das Vorstellungsgespräch nicht stattfinden würde, angenehm zu verflüchtigen. »Überhaupt kein Problem. So was kommt vor«, sagte sie und angelte in ihrer Tasche nach ihrem Terminkalender. »Soll ich ein andermal wiederkommen?«

»Nicht nötig. Sie können gleich hierbleiben und schon mal einen Beitrag für die Sendung von morgen schreiben.«

Eves Hand erstarrte in ihrer Handtasche zwischen Portemonnaie und Puder. »Entschuldigung?«

»Wir sind, ähm, heute unerwarteterweise unterbesetzt und könnten wirklich Unterstützung gebrauchen. Orla meinte, Sie hätten massenweise Erfahrung.«

Eve dachte an ihren Lebenslauf und wünschte, Vadis hätte sie nicht über Wert verkauft. Mal wieder. Sie hatte dem Partyplaner erzählt, dass Eve nur ein Telefon und zwei Stunden Zeit bräuchte, um ein Abendessen für fünfzehn Investoren zu organisieren, und dem Marketingleiter gegenüber hatte sie behauptet, Eve würde platzen vor neuen Ideen, wie man Videospiele in Schulbücher einbauen könnte. Eve hatte keinen der Jobs länger als zwei Wochen durchgehalten.

»Nun …«, setzte sie an.

»Ja?«, fragte Tanya. Eve suchte nach dem Kind in ihr, sah aber nur strenge, grüne Augen und eine scharfe kleine Falte zwischen den Brauen darüber.

»Nun – ja. Ja. Ich habe Erfahrung. Massenweise.«

»Und Sie kennen die Show?«

Eve senkte ihren Kopf zu einem halben Nicken.

»Sie werden die Texte für unsere Moderatoren schreiben, Hap McCutcheon und natürlich – Bliss Jones.«

Dem letzten Namen gab sie besonderen Nachdruck. »Es geht um Folgendes«, fuhr sie fort. »Unser Starkoch, Zorin, bereitet eine Bouillabaisse zu – nur ein kleiner Vierminutenbeitrag um 8.36 Uhr nach dem Wetter. Und wir brauchen die An- und Abmoderation. Hap übernimmt das. Er hat Probleme mit Prop-Spots, deshalb müssen Sie höllisch aufpassen. Sie müssen ihm wirklich jeden einzelnen Schritt ins Skript schreiben, damit er mitkriegt, was Zorin macht. Ach ja, außerdem müssen Sie runter ins Studio. Der Food-Producer ist krank, deshalb müssen Sie das Gericht vorkochen, damit es morgen früh alle probieren können. Das machen Sie am besten zuerst – angeblich muss es total lange köcheln. Das Rezept haben Zorins Leute geschickt, es liegt auf der Küchentheke. Oh, und zur Anmod: Nicht zu niedlich. Hap hasst Wortspiele, Alliterationen und witzige Phrasen. Irgendwelche Fragen?«

Eve erinnerte sich, dass ihre Mutter einmal gesagt hatte, in New York könne man in der einen Minute noch durch die Straßen spazieren und in der nächsten in eine völlig andere Welt geraten. Nur – bei ihr hatte sich das lustig angehört. Aber in echt? Anmod? Prop-Spot? Das klang nicht gerade lustig.

Tanya hob ganz leicht die Augenbrauen und sah sie erwartungsvoll an. »Hallo?«

»Keine Fragen«, antwortete Eve.

»Dann ab ins Studio! Es ist im Erdgeschoss, auf der Rückseite des Gebäudes. Unsere Aufnahmeleitung ist da auch irgendwo. Sie sagt Ihnen dann, wo alles ist. Und nach dem Kochen kommen Sie wieder hierher, und ich suche dir einen Schreibtisch, an dem Sie heute arbeiten können. Unser System ist ein bisschen kompliziert, aber wenn Sie sich mit NewsPro auskennen, kommen Sie wahrscheinlich total schnell rein.«

Vadis’ Behauptung, dass der Smell the Coffee-Job ganz bestimmt »mehr so eine lockere Glamour-Veranstaltung« sei, wo man Artikel liest und zum Lunch geht, schien ja mal so ziemlich gar nicht zu stimmen.

Tanya wandte sich einem Papierstapel auf dem Schreibtisch zu.

Den einzigen Moment, an dem Eve hätte erwähnen können, dass sie absolut gar nichts über Software oder Fernsehen oder ausgefallene Rezepte wusste, hatte sie schon längst verpasst – jetzt war es ohnehin zu spät. Sie stand auf. »Klingt gut. Danke.«

»Zum Bedanken ist es noch zu früh. Das ist hier erst mal nur ein Probelauf.«

Während Eve dem Aufleuchten der Zahlen im Aufzug zusah, fragte sie sich, wie kompliziert eine Bouillabaisse wohl sein mochte. In den letzten Jahren hatte sie für ihren Vater unzählige Steaks und Hühnchen gegrillt. Es hatte ihr nicht besonders Spaß gemacht, aber hätte sie nicht für ihn gekocht, hätte er nur von Doseneintopf und Eistee gelebt.

Die Türen öffneten sich, und ein Wachmann warf einen Blick auf den Besucherausweis, der an ihrem Revers hing, und hob eine Augenbraue. Auf ihre Frage nach dem Weg zum Studio wies er nach links, einen Flur mit abgewetztem Linoleum hinab. Als sie bei der Schwingtür am Ende des Flurs ankam, wurde die Tür von innen aufgestoßen, und zwei stämmige Männer in schwarzen T-Shirts und mit Headsets blieben direkt vor ihr stehen.

»Kann man helfen?«, fragte der größere.

»Ich soll an einem, äh, Prop-Spot arbeiten. Im Studio.«

»Dann bist du hier richtig. Nur rein«, sagte der erste.

Nach einer zweiten Schwingtür fand sie sich in einem höhlenartigen, dunkelblauen Raum wieder, so groß wie ein Flugzeughangar und so kalt wie ein Iglu. Sie bewegte sich durch die Stille und fühlte sich wie in einer Mondlandschaft. Aber über ihr waren keine Sterne, sondern Tausende von Scheinwerfern in jeder möglichen Farbe. In allen Richtungen schwebten kleine Sonnensysteme in ihrem Orbit: hier eine Wohnzimmereinrichtung, dort eine Ansammlung von Fitnessgeräten, eins weiter die kleinen Tischchen und Stühlchen eines Kinderspielzimmers. Eve wanderte durch das Paralleluniversum und stellte fest, dass dessen Einrichtung nur ein vager Abklatsch der realen Pendants war. »Holzböden« waren aus Laminat, das wie Eiche wirken sollte, »Marmor« war in Wirklichkeit Plastik, und Wände, die fest und solide aussahen, hätte man umpusten können.

Die Bücherregale waren mit beeindruckenden Klassikern gefüllt, wie Shakespeares gesammelte Werke, Die Abenteuer von Huckleberry Finn oder Moby Dick. Sie griff nach dem Shakespeare, um sich mit ein, zwei Sonetten zu beruhigen, aber die Buchklappen fielen in ihren Händen auseinander, übrig blieb nur eine Pappschachtel.

Zehn Meter weiter hinten entdeckte sie eine blitzblanke Küche, mit einer Theke so groß wie ein Bus.

»Hey, hallo! Wo ist Kevin?« Eve drehte sich um und sah eine sehr große, dunkelhäutige Frau mit einer Unmenge kleiner Zöpfe, die ihren halben Rücken bedeckten. Ihre Zähne leuchteten so weiß und makellos wie Badezimmerkacheln.

»Wer?«

»Einer der Autoren. Ich dachte, er wäre zuständig für dieses Suppenchaos.«

»Davon weiß ich nichts. Ich bin heute erst gekommen, und Tanya hat mich gleich hier runtergeschickt.«

»Oh, na ja, gut. Dann herzlich willkommen. Wie heißt du?«

»Eve Weldon.«

»Ich bin Lark Carmichael, Aufnahmeleitung. Ich würde dir ja die Hand geben, aber ich hab eine fiese Erkältung«, sagte sie und tupfte sich die Nase mit einem Taschentuch. »Es ist schon alles vorbereitet. Sollte nicht so schwer sein. Solange es gut aussieht, ist alles geritzt. Wenn Zorin morgen damit fertig ist, so zu tun, als hätte er es gekocht, tun Bliss und Hap so, als würden sie es probieren und als wäre es köstlich. Ich würde dir ja beim Kochen helfen, aber ich sollte mich besser von Lebensmitteln fernhalten mit dieser Erkältung.« Sie schnäuzte sich zweimal und wandte sich zum Gehen.

»Kein Problem. Hat mich gefreut«, sagte Eve ein wenig bedrückt, weil sie ihre einzige Raumfahrtgenossin so schnell schon wieder verlor. Sie ging zur Theke und ließ den Blick über die gigantische Masse an Zutaten schweifen: ein Dutzend Hummerschwänze, dicke Scheiben Red Snapper, Heilbutt, Seebarsch, Berge von Shrimps, Krebsbeine, Miesmuscheln, Austern und Venusmuscheln. Laut Rezept musste alles geputzt, geknackt, geschuppt, ent-kernt, ent-grätet und ent-darmt werden. Ent-zückend.

Sie beugte sich darüber, legte...

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