Beziehung als Therapie - Therapie als Beziehung: Michael Balints Beitrag zur heilenden Begegnung

Beziehung als Therapie - Therapie als Beziehung: Michael Balints Beitrag zur heilenden Begegnung

von: Franz Sedlak

Ernst Reinhardt Verlag, 1999

ISBN: 9783497012572

Sprache: Deutsch

197 Seiten, Download: 35013 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Beziehung als Therapie - Therapie als Beziehung: Michael Balints Beitrag zur heilenden Begegnung



Beispiele aus dem Spektrum spezifischer Anwendungsbereiche des Bahnt-Ansatzes (S. 131-132)

Therapie als Begegnung - Begegnung als Therapie
Von Ilse Rechenberger, Düsseldorf

Das Wort Begegnung ist kein Terminus der Neurosenlehre und der Psychosomatischen Medizin, es wurde auch nicht von Balint besonders hervorgehoben. Man spricht von einer Stätte der Begegnung. Auch ein Psychotherapie-Kongreß kann für manchen Teilnehmer eine Stätte intensiver Begegnung werden. Das Wort Begegnung kommt in der Lehre der Therapie kaum vor. Die Etymologie, die Lehre vom Ursprung der Wörter, bietet dagegen Erklärungen des Wortes an. Das Wort Begegnung hat den Sinn von: Man kann jemandem begegnen oder jemanden treffen. Manche Menschen können sich einander begegnen. Es kann jemandem etwas zustoßen oder widerfahren. Blicke können sich begegnen. Ein Mißgeschick kann einem begegnen. Man spricht davon, daß es das Unangenehmste ist, was einem begegnen kann.

Die Worte „jemandem begegnen" werden auch gebraucht im Sinne des „jemanden behandeln". Man kann jemandem höflich und mit Achtung begegnen. Einer Sache kann man begegnen im Sinne des sie zu verhindern versuchens. Begegnen ist gleichbedeutend mit „auf eine Sache stoßen". Einer Gefahr kann begegnet werden. Jemand kann der Absicht oder dem Plan eines anderen wirksam begegnen. Menschen können einander in einem gemeinsamen Wunsch begegnen.

Man sagt, daß man gelegentlich einer Meinung begegnen kann. „Mir ist schon Schlimmeres begegnet", tröstet man sich in mißlichen Situationen. Sich jemandem gegenüber in bestimmter Weise zu verhalten, ist ein fester Begriff, ebenso „es war nur eine flüchtige Begegnung". Man begegnet sich im Wettkampf oder beim Sport. Es kann sich um eine unangenehme, zufällige oder erfreuliche Begegnung handeln. Eine Begegnung kann abweisend sein. Man trifft Gegenmaßnahmen für eine Begegnung. Man kann einer Schwierigkeit begegnen, sich ihr stellen und den Versuch der Überwindung machen. Sprichwörtlich begegnet man dem Mann oder der Frau des Lebens und jemand kann einem mal im Mondschein begegnen.

Therapie als Begegnung

In der Therapie kann es durch Begegnung zur Manifestation von individuellen und kollektiven Bedingungen psychischen Erlebens kommen. Das folgende Beispiel möge dieses verdeutlichen: Eine Frau im dritten Lebensjahrzehnt wurde in der 32. Schwangerschafts woche wegen Erbrechens und Frühgeburtsbestrebungen in einer Frauenklinik aufgenommen. Da psychosoziale Schwierigkeiten bestanden, wurde sie nach Besserung der akuten Beschwerden wegen einer Depression auf die Psychosomatische Station verlegt. Die Schwangerschaft entstand im Vorfeld der Scheidung aus einer flüchtigen Beziehung zu einem anderen Mann.

Das Ehepaar hatte seine Scheidungsabsichten nicht weiter verfolgt. Statt dessen besuchte der Ehemann seine Frau täglich. Unmißverständlich verbalisierte er, daß er seine Frau wieder haben wollte, nicht aber das fremde zu erwartende Kind. In täglichen tiefenpsychologisch orientierten Gesprächen setzte die Frau sich mit ihrer Zukunft auseinander. Ältere Söhne aus der Ehe standen unter Vormundschaft. Nach Ansicht der Eltern der Patientin und des Vormundes der Söhne war die Patientin nicht in der Lage, ihre Kinder selbst großzuziehen. Während des stationären Aufenthaltes kam es für die an der Behandlung Beteiligten und für die Patientin selbst zur Begegnung mit Derivaten archaischer Mütterlichkeit.

Dieses archetypische Erleben umfaßt lebensfördernde und destruktive Verhaltensweisen. Die Psychosomatische Station ist ein Teil der sogenannten Krebsstation. Da die meisten Patientinnen dieser Station sich im Terminalstadium der Krebserkrankung befinden, gelten die psychosomatisch kranken Patientinnen dort als pflegeleicht. Unter der Leitung des Klinikseelsorgers findet wöchentlich eine Balint-Gruppe für das Pflegepersonal statt und hat eine ausgesprochen stabilisierende Funktion.

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