Medienmenschen - Wie man Wirklichkeit inszeniert. Gespräche mit Joschka Fischer, Verona Pooth, Peter Sloterdijk, Hans-Olaf Henkel, Roger Willemsen u.v.a.

Medienmenschen - Wie man Wirklichkeit inszeniert. Gespräche mit Joschka Fischer, Verona Pooth, Peter Sloterdijk, Hans-Olaf Henkel, Roger Willemsen u.v.a.

von: Jens Bergmann, Bernhard Pörksen

Solibro Verlag, 2013

ISBN: 9783932927812

Sprache: Deutsch

357 Seiten, Download: 3025 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Medienmenschen - Wie man Wirklichkeit inszeniert. Gespräche mit Joschka Fischer, Verona Pooth, Peter Sloterdijk, Hans-Olaf Henkel, Roger Willemsen u.v.a.



Frau Buschheuer, in einem Porträt über Sie heißt es: »In ziemlich vielen Medien hat Else Buschheuer ziemlich viele Facetten gezeigt, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, dass sie nicht zusammenpassen, aber irgendwie der Akkumulation von Prominenz dienen.« Geht es Ihnen tatsächlich darum?

Ich glaube nicht. Es war im Grunde ganz einfach: Ich wollte ein Buch verkaufen. Ich hab’ mich erst bemüht, bekannt zu werden, als ich vor sechs Jahren meinen ersten Roman Ruf! Mich! An! zu vermarkten hatte. Vorher bin ich zwar öffentlich aufgetreten, aber nicht auffällig geworden.

Bekannt geworden sind Sie doch schon als Wetterfee bei Prosieben.

Eben nicht. Ich habe da drei Jahre vor mich hin gewettert – keiner hat mich gesehen. Jeder Sender hat so eine Wetterschnecke, die vor der Bluebox herumhampelt. Ich habe mich kaum von denen unterschieden, höchstens sprachlich, aber es hört eh keiner hin. Auffällig geworden bin ich erst als Wetterfee, die einen Skandal-Roman geschrieben hat: Die Kombination ließ sich gut verkaufen.

Besonders Ihre letzte Ansage als Wetterfee ist noch vielen in Erinnerung. Ursprünglich wollten Sie vor einem Millionenpublikum bei Harald Schmidt kündigen. Dann haben Sie sich dafür entschieden, eine mit einem nackten Körper bedruckte Grillschürze zu tragen. Sie brauchten unbedingt einen spektakulären Abgang.

Na und? War doch nur Spaß. Im Sender hieß es immer, man solle sich sexy anziehen. Ich war immer dagegen – keine Ausschnitte, keine Röcke. Bei meinem letzten Wetter habe ich dann gesagt: »Jetzt mache ich mich mal nackig wegen der Quote.« Derzeit überlege ich gerade, ob ich demnächst bei Riverboat mit Miniröcken und Perücken auftrete. Sozusagen als Karikatur meiner Selbst, mich augenzwinkernd dem Quotendruck beugend.

Als Wetterfee ließ man Sie nie live vor die Kamera. Der Spiegel schrieb, Sie sähen »auch mit einem Azorenhoch im Rücken irgendwie gefährlich aus«.

Ich gelte als unberechenbar – was im Übrigen stimmt. Ich bin mir oft im Unklaren über die eigenen Motive. Ich neige zu unüberlegten Dingen, sage aus heiterem Himmel etwas wirklich Unpassendes. Als Wetterfee war ich eine grandiose Fehlbesetzung.

Wie kamen Sie zu dieser Rolle?

Ich habe eine Augenkrankheit, und ein Arzt hat mir einmal gesagt, ich könne nie im Scheinwerferlicht stehen. Da habe ich gedacht: ›Das wollen wir erst mal sehen!‹ So bin ich Moderatorin geworden. Eigentlich rutscht man über eine Moderation in den Journalismus und macht dann ernsthafte Sachen. Bei mir war es umgekehrt, ich war vorher schon acht Jahre Journalistin gewesen, habe für verschiedene Zeitungen, Magazine und Fernsehsendungen gearbeitet. Es hat mich gereizt, den Arzt zu widerlegen, und es hat mich gereizt, Geld zu verdienen, ohne meinen Kopf sehr anstrengen zu müssen. Ich wollte ja ein Buch schreiben.

Ihr Skandal-Roman Ruf! Mich! An! erschien 2000, und Sie bewarben ihn in den Medien exzessiv.

Ich hatte mir vorgenommen: Für dieses Buch mache ich alles, dafür gehe ich überall hin. Und es hat geklappt. Ich war sogar bei Naddel in Peep!, habe Dinge getan, die ich heute nicht mehr täte.

In der RTL-II-Sendung Peep! simulierten Sie multiple Orgasmen, im Stern erzählten Sie »Selbstbefriedigung ist für mich wie Yoga«, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte Sie die »schöne Pornografin«. Waren das wirklich Sie?

Natürlich nicht, aber es passte zur Heldin aus Ruf! Mich! An! Und so bin ich eben als Amazone aufgetreten mit High Heels, langen Fingernägeln und kurzen Haaren. Ich war ganz zufrieden mit diesem Image, das weit weg war von meiner eigentlichen Person. Ich habe später immer mal wieder experimentiert, habe in Interviews ehrlich geantwortet – aber das hat nicht funktioniert. Die Journalisten wussten damit nichts anzufangen, es ließ sich nicht verkaufen. Diese zugespitzten Pointen haben dagegen gepasst wie Arsch auf Eimer. Dass ich dafür einen Preis zahlen würde –zum Beispiel den, dass Männer mich meiden –, damit habe ich gerechnet. Das hat mich eher amüsiert. Zu mir hat mal einer gesagt, jeder normale Mann, der Ruf! Mich! An! gelesen hat, könne keinen Sex mit mir haben. So ist es auch.

Hatte Ihr Amazonen-Image auch eine Schutzfunktion?

Klar. So war das jedenfalls gedacht. Allerdings hatte ich mir zugetraut, die Medien kontrollieren zu können, weil ich weiß, wie sie arbeiten. Dummer Fehler! Es entwickelt sich ziemlich rasch eine Eigendynamik, die man nicht stoppen kann.

Sie selbst haben einmal gesagt: »Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, der kommt darin um. Das ist meine große Angst – weil ich es weiß und trotzdem mache.«

Man wird jemand, der man eigentlich gar nicht sein will, weil man bestimmte Sphären schützen will. Aber man muss damit rechnen, dass die Medien trotzdem versuchen, in diese Sphären einzudringen. Es gibt Journalisten, die nicht einsehen, dass es bei jemandem, der so freizügig wirkt wie ich, Tabus gibt. Das halten sie für unlogisch. Vermutlich ist es das auch.

Umgekehrt schätzten auch Sie die Medien falsch ein. Um Ruf! Mich! An! zum Gesprächsthema zu machen, schrieben Sie selbst unter dem Namen Karl-Heinz Flötow eine vernichtende Kritik über Ihr Buch. Flötow kritisierte, Ihre Darstellung von Ostdeutschen »grenzt an Volksverhetzung«. Obwohl Sie Flötows Kritik bei Ihren Lesungen genüsslich zitierten, blieb der erhoffte Effekt aus.

Ich hatte mich verschätzt. Ich hatte angenommen, dass dieser Punkt zum Skandal werden würde. Aber kein Ossi war richtig beleidigt, im Gegenteil, die fühlten sich gar nicht angesprochen. Aber sie kannten immer jemanden, der so ist wie Maik und Mändy. Über den haben sie dann mit mir zusammen gelacht.

Ihre folgenden Romane Masserberg, Venus und Der Koffer unterscheiden sich erheblich von Ihrem Debüt. Sie sind seriöser, der Ton ist ernster. Wollten Sie das Image der Medien-Domina abstreifen?

So wird das im Nachhinein gern gedeutet. In Wirklichkeit war es schlicht so, dass ich nach dem Erfolg meines ersten Buches gleich einen Vertrag für ein zweites bekommen habe. Inklusive Vorschuss, das ist ein großes Glück für einen Autor. Man ist völlig frei. So habe ich eine Geschichte über Alte, Kranke und Sterbende aus der DDR geschrieben, die ich schon lange mit mir herumgetragen hatte. Als Debüt wäre dieses Buch untergegangen. So wurde es immerhin wahrgenommen. Masserberg ist mein zweiterfolgreichster Roman.

Weil Sie vorher die Rolle der schönen Pornografin gespielt haben.

Auch, weil es ein gutes Buch ist. Und weil die Leute sich gefragt haben: ›Was schreibt die Buschheuer wohl jetzt wieder?‹

Ihr drittes und auch Ihr viertes Buch haben sich nicht gut verkauft. Auch, weil die Schriftstellerin Buschheuer weniger interessant scheint als die schöne Pornografin?

Möglich. Ich habe die Marke Buschheuer zerstört. Ich neige zur Selbstzerstörung. Ich langweile mich schnell. Ich will immer was Neues. Wenn ich Ruf! Mich! An! 2, 3, 4 geschrieben hätte, wäre ich vermutlich gut im Geschäft, und jeder wüsste, was drin ist, wenn Buschheuer draufsteht. Eine furchtbare Vorstellung.

Neben Ihren Romanen schreiben Sie exzessiv Internet-Tagebuch und veröffentlichen einige Ihrer Einträge auch in Buchform. In diesem virtuellen Tagebuch vermischen Sie Erlebtes und Erfundenes miteinander. Und der Leser fragt sich: ›Wer ist eigentlich Else Buschheuer?‹

Also, jetzt mal unter uns. Es geht den Leser verdammt noch mal nichts an, wer Else Buschheuer ist. Bei dem Tagebuch handelt es sich um eine Kunstform, was gelegentlich zu Enttäuschungen führt. Zum Beispiel, wenn meine Leser – die dachten, ich ginge stets allein durchs Leben – aus der Superillu erfahren, dass ich in Wahrheit mehrfach verheiratet war. Oder, dass ich eine erwachsene Tochter habe. Im Internet-Tagebuch finden diese Dinge nicht statt und Verliebungen nur in kodierter Form, nur von Menschen, die mich gut kennen, zu entschlüsseln.

Haben Sie Angst, die Kontrolle über Ihr mediales Bild zu verlieren wie in Ihrem New York Tagebuch, das Sie anlässlich der Anschläge auf das World Trade Center schrieben?

Mit dem 11. September ist mir das Spielerische entglitten, und ich war plötzlich nur noch ich. Stand nackt da. Schrecklich. Das New York Tagebuch ist ein pathologisches Protokoll; Psychologiestudenten können dort lesen, wie jemand in einen Nervenzusammenbruch rutscht, indem er sich selbst unablässig zu Tränen rührt. Ich kann...

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